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Rückkehrer kehren zurück

Eine Roma-Familie aus Bosnien nutzte vor einem halben Jahr die Rückkehrhilfe des Senats. Doch ihr Neuanfang blieb ohne Chance. Nun ist die Familie erneut in Berlin  ■   Von Julia Naumann

„Ich wollte endlich nach Hause und dort arbeiten“, sagt Mohammed Osmanovic (Name von der Redaktion geändert). Doch seit zehn Tagen ist der 39jährige wieder in Berlin, mit Sack und Pack und noch weniger Hoffnung als vor einem halben Jahr. Der Roma war vor sieben Jahren aus Bijeljina geflüchtet, mit seiner Frau Ramisa und seinen Kindern. Rund 8.000 der ehemals 30.000 Berliner Flüchtlinge kommen aus Bijeljina – einer kleinen Stadt, die an der Grenze von Restjugoslawien und Kroatien in der heutigen Republika Srpska liegt.

Osmanovic, der mittlerweile sieben Kinder hat, lebte vier Jahre lang in einem Berliner Flüchtlingsheim, dann in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Kreuzberg. Arbeiten durfte der ehemalige Fabrikarbeiter nicht, er verbrachte die Tage mit Kartenspielen und Besuchen bei Freunden. „Ich habe mich sehr stark zurückgesehnt“, sagt er. Doch Bijeljina ist heute serbisch dominiert, als Roma und Muslim hat er kaum eine Chance in der Stadt.

Dennoch nutzte Osmanovic vor einem halben Jahr das Rückkehrprogramm des Berliner Senats. Für sich und seine Familie bekam er rund 5.000 Mark Starthilfe (siehe rechts). Die Kinder, zwischen 2 und 16 Jahren alt, wurden aus Kindergarten und Schule genommen, die neunköpfige Familie flog nach Sarajevo und schlug sich dort bis nach Tuzla durch. Von dort fuhr Osmanovic in das 60 Kilometer entfernte Bijeljina, um sein Haus zu begutachten. „Eine serbische Familie hat dort ein bißchen gelebt und hat dann alles kaputt gemacht“, berichtet er verzweifelt. Bei der Stadtverwaltung habe er nach anderen Unterkünften gefragt, doch sei er immer wieder abgewiesen worden. „Nur wer Geld hat als Muslim, kann in Bijeljina überleben“, erzählt der Roma. Das aber hätten nur die Familien, die in Berlin schwarzgearbeitet hätten. „Doch ich bin ein ehrlicher Mann“, sagt er.

Osmanovic mietete in Tuzla eine winzige Wohnung, zahlte 200 Mark für ein Zimmer und eine Küche. „Wir hatten Glück, daß wir überhaupt eine Wohnung bekommen haben, denn Tuzla ist von Flüchtlingen sehr überfüllt.“ Einen Job fand er nicht in Tuzla, die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 70 Prozent. Andere Roma erzählten ihm, daß sie in Bijeljina auf offenener Straße angepöbelt, manche auch geschlagen wurden, als sie in der Stadt Lebensmittel einkauften, die dort billiger sind als in der Föderation. Von den 5.000 Mark Starthilfe war „nach drei Monaten kein Pfennig übrig“, erzählt Osmanovic. Er habe die Alternative gehabt, mit seiner Frau und den sieben Kindern auf der Straße zu leben – oder das Land wieder zu verlassen. So fuhr die Familie mit dem restlichen Geld zur Adriaküste und dann per Schiff nach Italien. Von dort kamen sie über Holland nach Berlin. „Hier fühle ich mich jetzt doch mehr zu Hause als in Bosnien“, sagt Osmanovic.

Vor zehn Tagen klingelte er bei seinem Cousin, der die Familie für einige Tage aufnahm. Osmanovic meldete sich bei der Ausländerbehörde, und die Familie bekam eine einmonatige Duldung. Sein Ziel: die USA. 1.000 bosnische Flüchtlinge aus Berlin sind bisher in die USA ausgewandert.

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