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Kasko gegen Vergewaltigung

■ Indiens Regierung will Frauen gegen Vergewaltigungen versichern. Frauenorganisationen werfen der Regierung deshalb Zynismus vor und fordern statt dessen wirksame Maßnahmen

Delhi (IPS) – Die Pläne der indischen Regierung, Frauen Versicherungsschutz gegen Vergewaltigungen zu gewähren, stößt bei Frauenorganisationen auf Empörung. Ministerpräsident Atal Behari Vajpayee hatte vergangene Woche in Delhi ein neues staatliches Versicherungsmodell vorgestellt, das Inderinnen bei „alltäglichen Problemen“ Hilfe bieten soll. Dazu zählt Vajpayee Stürze, Schlangenbisse, gynäkologische Eingriffe, Scheidungen – und Vergewaltigungen. Vorgesehen ist, daß Frauen zwischen 17 und 75 Jahren bei einem jährlichen Beitrag von umgerechnet 50 Pfennig im Schadensfall bis zu 1.000 Mark erhalten können.

Es gehe nicht an, daß der Regierungschef eines Landes, in dem die Zahl der Vergewaltigungen rapide zunähme, diese Übergriffe nun auch noch vermarkten wolle, erklärte die Generalsekretärin der „All-India Democratic Women's Association“ (AIDWA), Brinda Karat. Die vorgeschlagene Versicherung beweise die mangelnde Sensibilität innerhalb der hindu- nationalistischen Regierungspartei BJP, so Karat.

Vor wenigen Monaten hatte Innenminister Lal Krishna Advani angesichts alltäglicher Medienberichte über sexuelle Übergriffe gegen Frauen schärfere Strafen angekündigt. Um Vergewaltiger abzuschrecken, wurde auch die Todesstrafe nicht ausgeschlossen. Den Bürgerrechtlern zufolge zeigt die Regierung mit ihrem jüngsten Vorstoß jedoch ihr wahres Gesicht. Shabnam Hashmi von der Organisation „Sahmat“ fürchtet gar, die neue Versicherung könne dem Kindesmißbrauch Tür und Tor öffnen. Vergewaltigungsopfer müßten sich zudem der erniedrigenden Prozedur unterziehen, den Gewaltakt gegenüber der Versicherung genau zu schildern. Laut einem Sprecher der staatlichen Versicherungsgesellschaft können Frauen Beweise für erzwungenen Geschlechtsverkehr auch durch einen Arzt ihres Vertrauens erbringen lassen. Die Polizei müsse jedoch eingeschaltet werden.

Die Frauenorganisationen machen sich jetzt dafür stark, vor einer Verschärfung des Strafmaßes bei Vergewaltigungen erst einmal die überholte Strafprozeßordnung zu revidieren. Nach den geltenden Bestimmungen muß eine vergewaltigte Frau nämlich befürchten, am Ende selbst als Schuldige dazustehen. Die Verteidigung des Angeklagten darf Vorkommnisse in der Vergangenheit der Frau heranziehen, um ihre Aussagen zu entkräften und ihren Ruf zu ruinieren.

Den letzten offiziellen Statistiken zufolge wurden 1996 in Indien 338.000 Gerichtsverfahren wegen Vergewaltigung eröffnet. Nur 195.000 Verdächtige wurden jedoch festgenommen und 32.362 schuldig gesprochen. Angesichts dieser Zahlen sei offensichtlich, daß die Einführung schärferer Strafen allein nicht genüge, betonte Ranjana Kumati von der Frauenorganisation „Dakshata Samiti“. Ohnehin hielten nur die hartnäckigsten Klägerinnen bis zun Abschluß des Verfahrens durch.

Die Kontroverse wirft ein Schlaglicht auf das komplexe soziale Gefüge des Subkontinents, wo feudale und patriarchalische Traditionen vielfach nach wie vor größere Geltung haben als verbrieftes Recht. Laut Indu Agnihotri vom „Centre for Women's Studies“ werden Geschlechterfragen vor allem im Norden und Westen Indiens den ungeschriebenen Kastengesetzen untergeordnet.

Doch auch Frauen aus oberen Kasten bleiben nicht verschont. Kürzlich wurde eine Frau im ostindischen Bundesstaat Orissa von mehreren Männern vergewaltigt, nachdem sie Generalstaatsanwalt Inderjeet Ray sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. Da die Frau aber unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit vor Gericht für ihre Rechte kämpfte, mußte schließlich im Februar Orissas Chefminister Janaki Ballabh Patnaik zurücktreten.

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