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Teilweise gegerbte Haut unter den Nägeln

■ Outdoor-Klettern rund um Hamburg ist eher die Seltenheit. Immerhin aber gibt es „The Rock“ – mit 16 verschiedenen Routen und als Indoor-Event. Wer mehr will, fährt ins Weserbergland

Die Hände sprechen Bände. Ganze Geschichten erzählen die von Thomas Ullrich – vom Klettern. Hornhäutig und teilweise gegerbte Haut prägen seinen Händedruck. Im Juni zieht es ihn allerdings weg von der Elbe. „Was willst du überhaupt in Erlangen?“, fragen ihn seine Freunde. „Klettern“, entgegnet der 26jährige. In Hamburg ist das nur bedingt möglich.

Jedenfalls nicht in dem Maße, wie es sich Thomas Ullrich vorstellt. Ohne den Fels in der Natur sei es für ihn eben kein „richtiges“ Klettern. Da die höchste Erhebung der Hansestadt aber wohl der Fernsehturm und dies kein Berg ist, war er in den vergangenen drei Jahren schon des öfteren gezwungen, bis zu 600 Kilometer lange Autofahrten in Kauf zu nehmen. Immer häufiger pilgern Kletterfans aus dem Norden ins Weser-Leine-Bergland auf den Ith, um in geschmeidigen Bewegungsabläufen und mit perfekter Körperbeherrschung möglichst schwierigen Fels zu bezwingen.

Doch auch in Hamburg will man nach oben: An von verwinkelten Knorpeln übersäten Kunstwänden gehen Freeclimber in die Luft. An diesen winzigen Wärzchen, Schüppchen und Runzeln halten sich die Aktiven fest – auf dem schnellsten Wege nach oben. Eine gewisse Vorbereitung ist wichtig: Das weiße Magnesiumpulver bewahrt vor rutschigem Schweiß an den Händen und schützt die Haut. Der Weg ist im Sportklettern alles, das Ziel oft nur ein Anschlagpunkt unter der Hallendecke. Denn: Outdoor-Klettern wird in Norddeutschland nur vereinzelt angeboten.

Gewöhnlich gehen die Kletterfans ihrem Hobby am Polyester unter dem Dach hängend nach. Die Kaifu-Lodge bietet eine Variante des immer beliebter werdenden Indoor-Events. Erst im November eröffnete dort „The Rock“ – ein acht Meter hoher Rundumfels mit 16 verschiedenen Routen. Unter professioneller Anleitung ist es auch Anfängern dort möglich dem Kunstberg zu begegnen.

Die Preise der wenigen Anbieter gehen weit auseinander. Wer es günstig haben möchte, muß fahren. Sport-Shape in Winsen an der Luhe bietet für 25 Mark pro Person am Tag eine der größten deutschen Hallenanlagen an. Outdoor-Freeclimbing gibt es für Hamburger lediglich im Rahmen des Hochschulsports. An der sechs Meter hohen Uniwand können diverse Varianten geklettert werden. „Anfänger lernen bei uns schnell, den Respekt abzulegen“, erklärte Philip Hatje, Geschäftsführer des Hochschulsport Fördervereins. In Kursen und Workshops bekommen Interessierte das ABC vermittelt. Und „obwohl dieses Angebot nicht der Renner ist“, wie Hatje versichert, „finden sich stets 10 bis 14 Leute an der Wand wieder.“

Auch Joachim Illenberger nahm vor zwei Jahren an einem Uni-Climbing-Lehrgang teil. Mittlerweile hat er mehr als nur den Klettergedanken für sich entdeckt: „Spontaneität und Kreativität werden verbessert“, erklärt der 25jährige. Außerdem würde man konzentrierter an knifflige Situationen herangehen. Einzig die mentale Stärke entscheidet für ihn, ob eine Route zu schaffen ist.

Selbst manche Schulen haben den pädagogischen Wert des Kletterns bereits erkannt. Warum erklimmen Kinder zum Verdruß der Lehrer auch so häufig kantige Schulwände? Wie in Frankreich schon seit einigen Jahren angewandt, soll das Kraxeln schon bald in den Sportunterricht integriert werden. Der Deutsche Alpenverein macht da keine Ausnahme.

Die Sektion Niederelbe-Hamburg zählt rund 8000 Mitglieder, von denen „viele in den Jugendgruppen aktiv sind“, weiß Leiterin Silke Peters.

Es gibt aber noch weitaus ungewöhnlichere Plätze, die zum liebsten Zeitvertrieb geeignet sind. Legal sind diese allerdings nicht. Immer wieder werden Häuserfassaden, Brücken oder gar das Bismarck-Denkmal von Hasardeuren erklommen. Für Thomas Ullrich ist das nichts: „An den Kanälen soll es zu sehr stinken“, verrät er. Und obendrein wartet auf ihn das Frankenjura – eines der bundesweit besten Klettergebiete. Da können Luis Trenkers Enkel in Hamburg wirklich neidisch werden.

Oliver Lück

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