Kriegsgegner Ströbele bleibt isoliert

■ Bei einem Treffen grüner Politiker in Bonn zum Kosovo-Krieg lotet die Parteispitze ihre eigenen Gefühle und die der Basis aus

Fast vier Stunden lang, bis in die frühen Abendstunden des Donnerstags hinein, hatten 100 grüne Bundes- und Landespolitiker in Bonn getagt. Am Ende sagte Parteisprecherin Antje Radcke vor der Presse, man sei sich einig gewesen, den Konflikt im Kosovo rasch beizulegen. Die Nato solle ihre Bemühungen um eine politische Lösung verstärken.

Radcke – die zweite Sprecherin Gunda Röstel war im Urlaub – hatte sich in ihrem Eingangsstatement für die bislang faire interne Auseinandersetzung bedankt. Die anschließende Debatte bezeichneten Teilnehmer als sachlich, wenn auch Emotionen nicht ausblieben. Während des Beitrags der verteidigungspolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion, Angelika Beer, über die neuesten Flüchtlingszahlen sei die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, in Tränen ausgebrochen. Dies habe die Stimmung im weiteren Verlauf stark beeinflußt.

Weitgehend isoliert war nach Augenzeugen der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der einen sofortigen Stopp der Luftangriffe fordert. Sein Versuch, sich in die Lage Miloševic' hineinzuversetzen, sei von Unmutsbekundungen begleitet worden. Mehrmals habe der Versammlungsleiter, Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer, zur Ruhe mahnen müssen. Ströbele stellte etwa die Frage, berichtete ein Teilnehmer, ob Milošević nicht gute Gründe gehabt hätte, die Unterzeichnung des Abkommens von Rambouillet zu verweigern. Dabei habe Ströbele auf das Zusatzprotokoll verwiesen, das der Nato weitestgehende Rechte in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien zugesteht. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, der Außenminister Joschka Fischer vertrat, verwahrte sich gegen den Eindruck, nicht alles für eine Abwendung des Konflikts versucht zu haben. In Rambouillet sei alles verhandelbar gewesen. Volmer zitierte aus einem Schreiben Milošević' an die Rambouillet- Teilnehmer vom letzten Tag der Verhandlungen. Darin habe er die Gegenseite als Halunken bezeichnet, die sich in die inneren Anglegenheiten seines Landes einmischten.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin meldete sich ebenfalls zu Wort und übte Kritik am Vorgehen der Nato. Das Ziel, die humanitäre Katastrophe zu verhindern, sei nicht erreicht worden. Diese Fehleinschätzung, der die Grünen in Bonn ebenfalls unterlegen seien, solle man auch zugeben. Trittin, der bislang keine öffentlichen Äußerungen zum Krieg gemacht hatte, schlug nach Teilnehmerkreisen eine Einschränkung der Luftangriffe vor. Die Angriffe auf Serbien sollten gestoppt werden, die Luftschläge sich nur auf militärische Ziele beschränken.

Thema war auch die Stimmungslage an der Basis. Staatsminister Volmer appellierte an die Anwesenden, die Partei zusammenzuhalten. Die Vertreter aus den Landesverbänden berichteten von zahlreichen Initiativen, die auf einen sofortiges Ende der Luftangriffe drängten. Es sei aber schwierig, das Kräfteverhältnis zwischen Gegnern und Befürwortern einzuschätzen. In Grenzen hält sich die Zahl der Austritte. Sie wurde intern mit rund 200 angegeben – bei bundesweit 51.000 Mitgliedern. Severin Weiland, Berlin