: Wer bitte ist Hans Eichel?
■ Während sich die internationale Presse noch fragt, ob sie den neuen Finanzminister fürchten muß, zeichnet sich schon ab, was er hier bringen wird: den eisernen Sparkurs
Frankfurt (taz) – Ab heute also der 57 Jahre alte Hans Eichel. Er beerbt heute Oskar Lafontaine als Bundesfinanzminister. Eichel, der Mann aus Kassel, hat anders als sein Vorgänger noch keinen Parteivorsitzenden gestürzt; und in den erogenen Zonen deutscher Großstädte ist er ein Unbekannter.
Aber nicht nur dort. Zum Feindbild für die angloamerikanische Presse taugt er nicht. „Just who is Hans Eichel?“ fragt etwa das Wall Street Journal. Und deshalb fragte ein Reporter der weltweit größten Wirtschaftszeitung den Vizepräsidenten der Frankfurter Handeskammer. Dessen Antwort bedient das Klischee: Eichel könne auf der Zeil „shopping“ gehen – und kein Mensch würde ihn erkennen. „He is a guy that is happy to sit in the second row.“ So beschrieb ein anderer „Frankfurt business official“ den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten. Aber das Wall Street Journal fand zu seiner Beruhigung auch heraus, daß der stille „Mr. Eichel“ in ökonomischen Fragen ein kompetenter Gesprächspartner sei. Und ein zum Konsens fähiger Politiker.
Tatsächlich kann Eichel mit den Bossen; und die mit ihm. Unter dem Ministerpräsidenten Hans Eichel und seiner acht Jahre währenden Koalition aus SPD und Bündnisgrünen avancierte Hessen zur Number one in Sachen ökonomischer Potenz im Konkurrenzkampf der Bundesländer untereinander; und die Region um Frankfurt konkurriert im europäischen Vergleich erfolgreich mit den Wirtschaftsstandorten um Paris und London. Die Börse boomt.
Und es war Hans Eichel, der seinen grünen Koalitionspartner davon überzeugte, daß die Biotechnik „kein Teufelswerk“ sei. „Stille Diplomatie“ von Eichel etwa auch im Umgang mit Hoechst. Das Ergebnis: Arbeitsplatzsicherungsverträge für die Beschäftigten – und die Bewunderung von Hoechst-Boß Jürgen Dormann für den „braven Hans“. Lob auch von Hans-Olaf Henkel, dem Lautsprecher des Bundesverbandes der Deutschen Industrie: Unter Eichel sei Hessen zum „modernsten“ Bundesland geworden.
Peinlich für einen Sozialdemokraten? Eichel sieht das ganz pragmatisch. Wenn es um Arbeitsplätzen gehe, werde er auch „mit dem Teufel verhandeln“, sagte er noch vor der Landtagswahl. An der Wahlniederlage ist er unschuldig. Eichel rangierte bei den Symphatiewerten gut 20 Prozentpunkte vor Herausforderer Roland Koch (CDU). Die chronische Formschwäche der Bündnisgrünen, ihre hausgemachten Skandale und Skandälchen brachten Eichel um seine „Lieblingsposition“. Er sei nämlich lieber Ministerpräsident als Bundesfinanzminister.
Jetzt wird er‘s doch. Und schon gehen die Gerüchte, er wolle gleich mit den Sondervollmachten eines Haushaltssicherungsgesetzes das eiserne Sparwerk beginnen. Das Finanzministerium dementiert. Eichel stellt zunächst – ganz diplomatisch – fest, er müsse den Leuten als erstes klar machen, „wie ernst die Lage wirklich ist“.
Europa werde einen „ehrlichen Makler“ aus Deutschland bekommen, konstatierte der Fraktionsvorsitzender der SPD im hessischen Landtag, Armin Clauss. Nie würde Eichel etwa die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frage stellen; oder deren Vorsitzenden Wim Duisenberg öffentlich unter Druck setzen wie das Lafontaine getan hatte. Duisenberg weiß das zu schätzen – und freut sich auf den Finanzminister Eichel.
„Der kann nicht singen wie Caruso und nicht tanzen wie Fred Astaire“, sagte der Kanzler bei der Vorstellung von Eichel vor drei Wochen in Bonn. Muß er auch nicht. Nur seinen Job machen. So gut wie als Ministerpräsident –und als Finanzkoordinator der SPD-regierten Bundesländer im vergangenen Jahr. Da war er anerkannter „Schiedsmann“ auch im Bundesrat, respektiert von Freund und Feind (Stoiber). Klaus-Peter Klingelschmitt
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