: Station Bremen, purer Zufall
■ Hilfsorganisationen rufen weiter zu Geld- und gezielten Sachspenden auf / Dringend gebraucht werden: Kinderkleidung, Telefon- und Straßenbahnkarten und ein Fernseher
„Die Flüchtlinge sind alle meine Familie“, sagt der 32jährige kosovo-albanische Dolmetscher Shaniu Zejnulla. Die letzten Nächte hat er nur sechs Stunden geschlafen und seine eigenen Kinder kaum gesehen. In jeder freien Minute unterstützt er die MitarbeiterInnen der AWO-Unterkunft in Habenhausen. Hier sind seit letztem Freitag 50 von 95 Vertriebenen aus dem Kosovo untergebracht, die Bremen aufnimmt. Unter ihnen sind 40 Kinder und zwei hochschwangere Frauen. Das mehrstöckige Haus zwischen Baumärkten, Tennisclub und Brachland in der Steinsetzerstraße ist nur eine Durchgangsstation – schon Ende der Woche werden die Heimatlosen in andere Häuser weiterziehen, glaubt Heimleiterin Doris Gregerek.
Zize Veselaj hatte Glück im Unglück. Die Hochschwangere ist zusammen mit ihrem Mann Rexh nach Deutschland gekommen. Zuvor allerdings war sie sieben Monate auf der Flucht. Das Ehepaar stammt aus dem kleinen Ort Pece – wo heute kein Stein mehr auf dem anderen steht. Nach Deutschland brachte sie der pure Zufall. „Wichtig war nicht wohin, sondern das Leben zu retten“, übersetzt der Dolmetscher. „Im Kosovo ist alles zerstört, die Serben haben die Häuser angezündet“, sagt Rexh Veselaj – und hält dabei ein Feuerzeug ans Bett. Er spricht kein Wort deutsch.
In einem Flüchtlingslager in Mazedonien drückten Nato-Soldaten dem Ehepaar Veselaj wie Tausend anderen Stempel auf die Hand. Wenig später wurden sie zum Flugzeug gebracht. Beide haben noch tiefe Ringe unter den Augen.
„Milosevic ist wie ein Fuchs. Von Slowenien, dem Anfang, bis heute hat er mit Europa gespielt. Man kann sich nicht mit ihm an einen Tisch setzen und reden“, sagt Rexh. Er findet den Nato-Einsatz richtig. „Es gab keine andere Möglichkeit.“ Dolmetscher Shaniu Zejnulla ergänzt: „Nur die UCK kann gegen die verrückten Serben kämpfen. Am Boden ist es zu gefährlich für die Nato-Soldaten.“ In seinem Zimmer hängt ein Plakat mit drei schwerbewaffneten UCK-Frei-heitskämpfern darauf. „Diese drei Männer und ihre 20köpfige Familie ist von serbischen Militärs umgebracht worden“, weiß Zejnulla. „Aber das Ziel der UCK war immer Leben zu retten.“
Während die Bremer Neuankömmlinge noch von Flucht und Vertreibung berichteten, landeten gestern 300 weitere Kosovo-Vertriebene auf dem Bremer Flughafen. Sie werden in Niedersachsen aufgenommen. Vier Wochen werden sie in der zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Oldenburg verbringen – und danach in andere Kommunen umziehen. Bereits am vergangenen Donnerstag trafen die ersten 218 von insgesamt rund 1.000 Flüchtlingen ein.
Nach wie vor rufen die Hilfsorganisationen zu Spenden auf. Geldspenden würden bevorzugt aber auch: Socken, Strumpfhosen und Strümpfe, Kleidung für Mädchen, Kinderwagen, Spielzeug, Telefonkarten und BSAG-Fahrkarten, sowie einen großen Fernseher.
Jutta Flerlage
Das Bundesamt für ausländische Flüchtlinge in Nürnberg gibt unter Tel.: 0911-943 77 77 Auskunft über Familienangehörige. Spenden unter dem Stichwort „Kosovo“ können auf folgende Konten überwiesen werden: AWO-Konto 110 11 12, Sparkasse Bremen, BLZ 290 501 01; „Brücke der Hoffnung“, Konto 118 66 18, Sparkasse Bremen, Konto des Arbeiter-Samariter-Bundes 1888 bei der Postbank Köln, BLZ 370 100 50
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