piwik no script img

Ein AHA gegen die Gewalt

■  Die Polizei auf der Suche nach Wegen, um den Krawall am 1. Mai zu verhindern. Gestern lud sie zum Mai-Talk in Prenzlauer Berg. Statt Eskalation steht Gewaltverhinderung auf dem Programm

Auch 10.000 Polizisten helfen nichts – immerhin ist man gestern im Bezirksamt Prenzlauer Berg um diese eine Erkenntnis reicher geworden. Die Polizei hatte zum Mai-Talk geladen. Eine Diskussionsrunde mit dem Bezirksbürgermeister, einem PDS-Stadtrat, einem Anwohnervertreter und einem Professor der Rechtspflege. Dazu saßen im Publikum vereinzelte AnwohnerInnen und eine ganze Menge PolizistInnen.

Nachdem der Tag der Arbeit im vergangenen Jahr mit einem abgesperrten Kollwitzplatz begonnen und mit einer Randale in der Kastanienallee geendet hatte, wollen die Ordnungshüter im Kiez in diesem Jahr alles besser machen. Die Schelte, die es 1998 für die Führung der insgesamt eingesetzten 5.000 PolizistInnen gegeben hatte, steckt den Beamten noch in den Knochen. Nur wie ein besseres Konzept aussehen könnte, das ist noch nicht so ganz geklärt.

Zumindest hat die Polizeidirektion 7, die für den Prenzlauer Berg zuständig ist, schon eine Arbeitsgruppe 1. Mai gegründet. Auch wenn die „revolutionäre 1. Mai-Demonstration“, nach der im vergangenen Jahr auf der Kastanienallee Baucontainer brannten, in diesem Jahr wieder in Kreuzberg stattfindet. Seit Februar basteln die Kollegen und Kolleginnen an einem Konzept, mit dem einerseits die alljährliche Randale auch rund um die 1.-Mai-Feste verhindert, andererseits aber auch den BewohnerInnen des Kiezes die ganzen Polizeiabsperrungen vermittelt werden können. „AHA“ heißt jetzt das Konzept, das der Leiter der Direktion 7, Michael Knape, gestern zur Einleitung stolz präsentierte - „AHA“ für Aufmerksamkeit (schaffen), Hilfe (erbitten) und Appelle (starten).

Man kann in diesem Jahr getrost davon ausgehen, daß sich ein Eckart Werthebach, der neue CDU-Innensenator, am 1. Mai eine Pleite nicht gefallen lassen wird. Doch Einsatzleitlinien sind für den alljährlichen Krawallhöhepunkt noch nicht ausgegeben. Werthebachs Vorgänger im Amt des Innensenators, Jörg Schönbohm, hatte noch den Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr angekündigt, die „revolutionäre 1. Mai-Demonstration“ nur noch in einem umzäunten Gelände zu gestatten.

Einen „Aufbruch zu neuen Ufern“ nannte Direktionsleiter Knape gestern die Idee seiner 1.-Mai-Einheit. Statt Eskalation steht „Gewaltverminderung“ auf dem Programm.

Mithelfende BürgerInnen jedoch, das machte gestern im Sinne der KiezbewohnerInnen Hartmut Seefeld klar, wird es auch in diesem Jahr nur geben, wenn die Polizei von ihrer Taktik der abgeriegelten Bereiche Abstand nimmt. „5.000 Polizisten konnten letztes Jahr die Krawalle nicht verhindern“, resümierte Seefeld, „will man jetzt mit 10.000 anrücken?“ Das Gewaltpotential sei nur zu entschärfen, wenn die Polizei nicht an jeder Ecke Ausweise kontrolliere und damit unnötig Aggressionen schaffe, die Polizei den Kollwitzplatz nicht sperre und ihr Auftreten etwas freundlicher gestalte.

Den Anregungen Seefelds konnte PDS-Stadtrat Scholz nur zustimmen: Martialisch uniformierte oder vermummte Polizisten wirken am 1. Mai nach Scholz Ansicht ebenso wenig deeskalierend wie Zivilpolizisten in einer Demonstration oder auf einem Fest.

Und noch einer stimmte in den Chor mit ein: Professor Baller von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege wies den Direktionsleiter darauf hin, welch großen Ermessensspielraum er doch im Sinne der Deeskalation habe, „bis hin zum Schaffen eines polizeifreien Raumes“.

Die Sache mit dem polizeifreien Raum brachte Sorgenfalten auf Michael Knapes Stirn. Doch immerhin gestand er zu, weder mit 10.000 Beamten in Prenzlauer Berg erscheinen noch den Kollwitzplatz abriegeln zu wollen: „Abriegeln ist schließlich eine der tumbsten und stupidesten Maßnahmen.“ Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen