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Flüchtlinge wurden mit Applaus empfangen

■  97 Kosovo-Albaner landeten gestern in Schönefeld und wurden vorerst in einem Heim in Hohenschönhausen untergebracht. Die meisten sollen „gut drauf“ sein. Grüne kritisieren erkennungsdienstliche Behandlung

Gestern sind die ersten 97 Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo in Berlin eingetroffen. Um 16.11 Uhr landete auf dem Flughafen Schönefeld in Anwesenheit eines großen Journalistenpulks und von Politikvertretern ein rumänisches Charterflugzeug der Airline Jaro.

Weil die Journalisten nicht mit den Flüchtlingen reden konnten, waren sie auf die Informationen eines Reporters angewiesen, der die Maschine begleitet hatte. Er erzählte, daß die Flüchtlinge aus Stenkovic zwischen Blace und Skopje aus einem Lager mit 25.000 Menschen gekommen seien. In dem Lager, wo es zwei Hospitäler gebe, seien sie „aufgepäppelt“ worden. Sie seien, so der Reporter weiter, „gut drauf“. Nach seinen Angaben befinden sich unter den Flüchtlingen eine 100jährige Frau, viele Frauen und Kinder, aber auch ganze Familien. Verletzte waren nicht an Bord. Es blieb unklar, nach welchen Kriterien sie in Makedonien ausgewählt wurden. Die Flüchtlinge wurden noch im Flugzeug untersucht, „ein erster medizinischer Check-up“, so Claudia Wunder, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes.

Rund 150 Meter vom Flugzeug entfernt warteten hinter einem Absperrgitter etwa 20 Albaner, die hofften, Verwandte zu treffen. Ihnen wurde nicht erlaubt, auf das Rollfeld zu gehen. „Ich hoffe, daß ich meine Freunde wiedersehe“, sagte der 38jährige Remzi Hammernick, der aus Podujeve stammt und seit neun Jahren in Berlin lebt. Er ärgerte sich darüber, daß Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verboten hat, Verwandte aufzunehmen. „Ich hätte für einige Ankommende Verantwortung tragen können.“

Vor dem vorübergehenden Zuhause der Flüchtlinge, dem Flüchtlingsheim in der Gehrenseestraße in Hohenschönhausen, wurden die Albaner von etwa 500 Menschen mit Applaus empfangen. Das Heim hat etwa 800 Plätze. Die meisten Flüchtlinge, die dort zum Teil bereits seit vielen Jahren leben, kommen aus dem ehemaligen Jugoslawien. 300 bis 400 von ihnen sind Kosovo-Albaner. Wachschutzmitarbeiter bewachen die Eingänge des Hauses. In den Zimmern, in denen zwei bis fünf Menschen wohnen werden, war gestern alles für die Ankunft vorbereitet. Die Albaner in dem Heim haben in den vergangen Tagen Geld gesammelt für die Ankommenden. „Wir haben gekocht und Süßigkeiten eingekauft“, erzählte Kuma Bashkim, der 1992 aus Albanien geflüchtet ist. „Wir wollen ein herzliches Willlkommen“, sagte er. Jeder hoffe auf Informationen von Verwandten und Freunden, die noch in den Flüchtlingslagern in Makedonien sind.

Weil bisher noch unklar ist, aus welchen Orten die Flüchtlinge genau kommen, soll der Bundesgrenzschutz sie erkennungsdienstlich behandeln. Den ihnen zugewiesenen Wohnort dürfen sie nicht verlassen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus Hohenschönhausen verurteilte gestern die erkennungsdienstliche Behandlung. „Daran wird deutlich, daß die Flüchtlinge von der Nato gern als Argument für den Krieg genutzt werden, wenn sie aber um Aufnahme in einem dieser Nato-Staaten ersuchen, werden sie diskriminiert und wie Kriminelle behandelt.“ Julia Naumann

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