: Ohne den Schnäpel läuft gar nichts
■ Eine seltene Fischart bedroht das geplante Emssperrwerk / Ein weiteres Gutachten bezeichnet die Emsvertiefungen als illegal / Zieht sich die Meyer-Werft aus Ostfriesland zurück?
Ein 50 cm langer lachsähnlicher Fisch könnte das Emssperrwerk jetzt gänzlich zu Fall bringen. Der sogenannte „Schnäpel“ laicht vermutlich in der Ems. Er ist aber als Fischart streng geschützt, ein Monumentalbau könnte sein Überleben gefährden und das verbietet europäisches Recht. Die Sperrwerkjuristen, die derzeit an einer neuen Version für eine Baugenehmigung basteln, warten nun fieberhaft auf ein seit längerem angekündigtes Fischgutachten.
Der Haken dabei: Noch konnte offiziell kein Gutachten bestätigen, daß der Schnäpel überhaupt in der Ems zu Hause ist. Denn bislang glänzten die von der Bezirksregierung Weser-Ems bestellten Fisch-Experten mit Abwesenheit – aus gesundheitlichen Grippe-Gründen, heißt es offiziell.
Das Land Niedersachsen, die Bezirksregierung Weser-Ems und die Papenburger Meyer-Werft jedenfalls wußten von Anfang an vom „Schnäpel“-Problem. Doch von Beginn an unterstützte die Regierung die Meyer-Werft, damit diese riesige Passagierschiffe rund 30 Kilometer von der Werft in Papenburg bis an die Nordseeküste schleppen kann. Weil die MeyerWerft dazu ein Sperrwerk brauchte, ordnete die Bezirksregierung vor knapp einem halben Jahr den sofortigen Bauvollzug des Emssperrwerkes bei Gandersum an.
Um europäisches Naturschutzrecht zu umgehen, hatten die Juristen der Sperrwerksplaner den Sperrwerksbau nicht mit der Wirtschaftshilfe für Meyer begründet sondern mit der Bedrohung für Leib und Leben der Menschen an der Ems durch Hochwasser. Die Notwendigkeit eines Sperrwerkes als Hochwasserschutz schloß der landeseigene Küstenschutzplan aber ausdrücklich aus. Deswegen klagten Privatpersonen und die Naturschutzverbände BUND, NABU mit Unterstützung des WWF sowie der LBU, ein Zusammenschluß regionaler Bürgerinitiativen, gegen den Bau. Das Verwaltungsgericht Oldenburg und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg gaben ihnen Recht und verfügten einen sofortigen Baustopp.
Jetzt basteln die Sperrwerksjuristen an einer kombinierten Version der Baugenehmigung. Nun soll sowohl Leib und Leben der Menschen an der Ems geschützt werden, als auch die Meyer-Werft unterstützt werden. Seit Wochen aber warten sie auf das angekündigte Fischgutachten. Und alles hängt an der Frage: Gibt es den Schnäpel oder nicht? Werden europaweit geschützte Naturschutzgebiete vom Bau des Sperrwerks beeinträchtigt oder nicht?
Währenddessen steigen die Planungskosten weiter an, und häufen sich weitere Aufträge für weitere Juristen: Neben den Klagen der Naturschutzverbände gibt es nämlich noch über 20 Einzelklagen von Privatpersonen, die sich durch den Sperrwerksbau beeinträchtigt fühlen. Weiterhin sind Klagen anhängig, die sich auf bereits vollzogene Emsausbaggerungen beziehen: Das Sperrwerk mausert sich zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Juristen.
Doch damit nicht genug: Mittlerweile hat der ehemalige Präsident der Wasser– und Schifffahrtsdirektion Nord, Friedrich Cöln, zur Amtsübergabe eine Aufstellung aller Emsverftiefungen erstellt. Sein Ergebnis: All diese Emsvertiefungen waren illegal. Auch der Bundesrechungshof monierte die Ausgaben für die Baggerarbeiten. Cöln zur taz: „Das war ein behördeninternes Papier. Ich habe die Emsvertiefungen als nicht legal bewertet. Meine Zusammenstellung liegt beim Bundeswirtschaftsministerium.“
Horst-Hans Kaiser, jetziger Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, kennt das Cöln-Papier im einzelnen nicht, weiß aber, daß es exististiert: „Wenn die Politik die Emsvertiefungen will, und der Minister keinen Dummen findet, der ihm die Sache regelt, dann gibt es eben eine Rüge vom Bundesrechungshof.“ Das Cöln-Papier ist bis heute unter Verschluß.
Von all dem Hickhack hat der Werftenchef Meyer jetzt offenbar genug: Gerüchte verunsichern die Region. Meyer, so wird gemunkelt, plant eine Totalverlegung an die Ostsee. Schon vor Jahren hatte Meyer die Werftanlagen in Warnemünde in Augenschein genommen. Damals konnte Meyer aber sicher sein, daß die Landesregierung alles tun würde, um die Ems für ihn freizuhalten. Jetzt sieht es fast so aus, als würde geltendes Recht das alles doch zunichte machen.
Thomas Schumacher
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