piwik no script img

Wochentrip ins Space-Hotel

■ „International Symposium on Space Travel“ im Cinemaxx: Der Tourist der Zukunft fliegt nicht nach Goa, sondern ins Orbit / Schon 2015 könnte es technisch soweit sein

„Bitte legen Sie Ihre Sitze in waagrechte Position. Stellen Sie das Rauchen ein und schließen Ihren Helm an die Sauerstoffversorgung an. Die Flugzeit bis zum Orbit-Hotel in 450 Kilometer Höhe beträgt 45 Minuten. Take-off ist in 60 Sekunden.“ Und die Raketenantriebe beginnen zu wummern.

„Aus Science-Fiction werden Science-Facts“, sagt einer, der von der Geschichte belehrt wurde: Richard F. Gordon Junior, Jahrgang 1929, Astronaut und ehemaliger NASA-Mitarbeiter. Von der Idee, Hotels im Weltall zu bauen, hörte er das erste Mal in einer Vorlesung als Kadett – das war noch bevor Gordon seinen Jungfernflug mit einem Flugzeug absolviert hatte. „What a crazy man“, dachten viele der Zuhörer von dem Vortragenden. Einige Jahre später war Gordon (wie sein Comic-Namensvetter Flash - Ahaaa, Master of the Universe) im All. Mit der Gemini-11-Mission unternahm er 1966 einen Weltraumspaziergang. Und 1969 war er Mitglied der Apollo-12-Mannschaft, die die zweite erfolgreiche Reise zum Mond unternahm. Wa-rum also nicht an Visionen festhalten, fragt sich der alternde Mann heute.

Die Welt von morgen: Eine Touristen-Rakete startet vom Weltraumbahnhof Kourou, Französisch- Guyana. Vor den Urlaubern liegen das Weltall und fünf Tage fernab vom Alltagsstreß. In ihren Modulen können sie – bei Aufpreis – Zimmerservice bestellen. Fitnesstraining in Schwerelosigkeit. Coctails für Hochzeitsreisende mit Blick auf den blauen Planeten.

Keine Spinner, die das denken. Sechzig von ihnen, die meisten in Schlips und Kragen, treffen sich bis morgen im Bremer Cinemaxx-Kino zum International Symposium on Space Travel (ISST –99). Denn längst haben sich Ingenieure, Ex-Astronauten und Tourismus-Experten auf die Vision geeinigt: Zwischen 2015 und 2025 wird er möglich sein, der Urlaub im All. Nicht ganz billig, wohl wahr, aber auch nicht unbezahlbar für Menschen der westlichen Welt: Unter 50.000 Dollar soll ein Ausflug etwa mit dem japanischen Raumgleiter Kankoh-maru kosten – sonst wird die Sache nicht marktfähig, sagen Tourismusforscher.

Das Problem derzeit: Keine Privatfirma hat genug Geld, um das technisch Machbare auch zu finanzieren. Die Großen der Weltraumtechnik schnuppern zwar bei den Visionären nach Ideen und Konzepten – das Risiko aber wollen sie noch nicht tragen. Und Regierungen sind tendenziell skeptisch, die Entwicklung der Touristik-Marktidee mit Milliarden zu subventionieren.

Dabei schätzen Marktanalysten, daß der Weltraum-Tourismus das Geschäft des 22. Jahrhunderts werden könnte: 60 Prozent der Amerikaner würden nach einer Umfrage der „American Space Transportation Association“ sofort eine Reise ins All unternehmen, bei den unter 40jährigen sind es gar 75 Prozent. Andere Analysten gehen davon aus, daß in 20 Jahren mehr als eine Million Touristen ins All reisen könnten. Mehrere Milliarden Dollars Umsatz in den ersten zehn Jahren der Touristen-Raumfahrt sind also prognostiziert.

Das finanzielle Problem sind nicht so sehr die Hotels – die Module würden, so schätzt Patric Collins, Raumfahrtwissenschaftler bei der japanischen Raumfahrtagentur NASDA, wenige Millionen Dollar kosten, wenn erst einmal das Transportproblem gelöst sein wird. Doch der Entwicklungsstand der Shuttles läßt noch zu wünschen übrig – wiederverwertbar, am liebsten mit ökologischem Antrieb, sollen sie sein. Bis dahin müssen noch Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung gesteckt werden.

Bleibt noch die Frage: warum das Ganze? „Aus 450 Kilometer Höhe sieht man die Erde als Ganzes, ohne Grenzen, unzerrissen“, rückt Alt-Astronaut Gordon ins Sphärische. „Es wird einem bewußter, wie zerbrechlich die Erde ist, und daß es gilt, sie zu bewahren. Wenn wir Astronauten gefragt werden, was wir im All entdeckt haben, haben viele von uns das Gleiche geantwortet“, sagt Gordon. „Die Erde.“ Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen