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Ein Nachruf? Das ist nicht einfach.

■ Wie das „Zentrum Innere Führung“ der Bundeswehr Offiziere und Soldaten der Balkantruppe auf Tod, Geiselhaft und das Leben nach dem Krieg einzustimmen sucht

Der Rat von Oberstleutnant Arthur Matyschock ist ernst: „Machen Sie auf jeden Fall vor dem Einsatz Ihr Testament, um Ihre Familie abzusichern.“ Dann gibt er Tips, wie ein Nachruf auf einen gefallenen Kameraden zu verfassen ist. Matyschock ist Dozent am Koblenzer „Zentrum Innere Führung“ (ZInFü) der Bundeswehr, das Soldaten als „Bürger in Uniform“ Orientierung in einer Demokratie bieten soll. Seit 1993 gibt es aber auch das geistige Rüstzeug für Auslandseinsätze an die Hand, so wie jetzt auf dem Balkan.

„In einer ersten Diskussion stellen die Teilnehmer gewöhnlich fest, daß unsere Gesellschaft den Tod verdrängt, auch wenn er in allen Programmen über den Fernsehbildschirm flimmert“, berichtet Matyschock. Er bitte dann alle Männer, auf einer Karteikarte zu notieren, was sie positiv, negativ oder neutral mit dem Tod verbinden. „Die Karten hängen wir vorn auf und diskutieren darüber.“ Eine andere Übung: „Ich frage, was die Teilnehmer alles machen würden, wenn sie wüßten, sie lebten nur noch einen Tag.“

Matyschock hat auch Todesanzeigen gesammelt, um Beispiele für das Verfassen eines Nachrufs zu geben. „Das ist nicht einfach. Zuerst muß ich mich fragen: Was genau will ich mitteilen, und an wen richtet sich der Text?“ Schließlich liest der Dozent Ausschnitte aus Romanen und Erzählungen vor, die die Gefühle von Soldaten schildern, die Feinde getötet haben.

Der stellvertretende Kommandeur des Zentrums Innere Führung, Friedrich Wilhelm Dieckhoff, weist darauf hin, daß sich die Dozenten sehr bemühten, die Ausbildung mit eigenen Erfahrungen zu untermauern. „Wir haben uns zum Beispiel ein Hospiz für Sterbende angeschaut.“ Immer müßten die Ausbilder auch selbst einige Zeit nach Makedonien.

Gar keine praktischen Erfahrungen hat die Bundeswehr, die auf dem Balkan zum ersten Mal in einen Krieg verwickelt ist, mit Geiselhaft. „Da greifen wir auf befreundete Streitkräfte zurück“, erklärt Matyschock. „Zum Beispiel hatten wir einen britischen Captain hier, der von seiner irakischen Gefangenschaft berichtete.“

Doch auch für die Ehefrauen und Freundinnen bietet das Zentrum Seminare an. „Sie haben zwar Angst, können sich aber meist nicht genau vorstellen, was der Mann auf dem Balkan erlebt“, sagt Brigadegeneral Hans-Christian Beck, Kommandeur des Schulungszentrums. „Am Telefon reden die Partner deshalb oft aneinander vorbei. Die Frau erzählt detailreich vom kaputten Rasenmäher, während der Mann den Tod kennengelernt hat.“ Jens Albes (dpa)

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