: Austritt ins Freie
■ Sanatoriumsblick, Büsche und Holpersteine: Der Künstlerhof Frohnau bietet eine Idylle im Grünen und reichlich Eigeninitiative
Es gibt die unterschiedlichsten Arten, in Berlin ein Atelier zu mieten: Im zweiten Quergebäude eines abgewrackten Mietshauses, in einem der öffentlich geförderten Atelierhäuser oder in einem der vielen Fabrikgebäude in fast allen Bezirken, die von oben bis unten mit Ateliers voll sind, aber freie Träger haben.
Seit einem halben Jahr nun stellt der Künstlerhof Frohnau e.V. ebenfalls Ateliers zur Verfügung. Doch der Standort hat einen Haken: Im bürgerlichen Reinickendorf sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht. Doch schön ist es, immerhin wurde der Frohnauer Künstlerhof in einem Sanatoriumskomplex aus den 20er Jahren angesiedelt. Mittlerweile sind 16 Künstler in die eingeschossigen Fachwerkgebäude aus Backstein eingezogen und haben sich die Räume für ihre Zwecke selbst umgebaut. Auf diese Weise entstanden große lichtdurchflutete Räume mit direktem Austritt ins Freie.
Neben dem Atelierbetrieb sind in Frohnau neben Workshops mit internationalem Kulturaustausch auch Ausstellungen geplant. Und weil im Künstlerhof bildende Künstler, Schriftsteller und Musiker arbeiten, werden auch Lesungen und Konzerte stattfinden. Für weitere Ateliers und für die kulturellen Aktivitäten wurde vor einigen Wochen sogar ein zweiter Verein, die Freie Galerie e.V., gegründet. Der Neubau auf dem gleichen Gelände aus den 70er Jahren soll dafür genutzt werden.
Dieter Ruckhaberle, der Initiator des Projekts – Maler und ehemaliger Kunsthallendirektor –, knüpft mit der Namensgebung der Freien Galerie an seine Produzentengalerie an, die in den 60er Jahren in der Kurfürstenstraße damals unbekannte, mittlerweile groß gewordene Künstler ausgestellt hat. Die Freie Galerie habe die Freiheit in der Kunst gewollt, so Ruckhaberle, und er meint den Streit zwischen abstrakter und gegenständlicher Kunst im Berlin der 60er, der Neuentwicklungen blockierte.
Wie gut das Frohnauer Projekt funktioniert, läßt sich an Details festmachen. Die Künstler fühlen sich selbst für das Stückchen Wald vor den Ateliers zuständig: Sperrmüll wurde beseitigt, Büsche und Pflanzen versorgt und die früheren Einfassungen des alten Holpergesteins wiederhergestellt. Die beiden Vereine, der Künstlerhof sowie die Freie Galerie, konnten mit dem Bezirksamt eine langjährige Nutzung aushandeln. Deshalb laufen die meisten Verträge mit den Künstlern auf zehn Jahre mit weiteren zehn Jahren Option. Die Mieten sind im Vergleich niedrig.
Bei all den Vorteilen darf man sich nicht darin täuschen, daß es schwierig ist, am Rand von Berlin zu arbeiten. Das freundliche Ambiente hat seinen Preis. Erfahrungsgemäß wird es schwierig sein, Galeristen aus den Stadtzentren dorthin zu ziehen. An diesem Wochenende finden Tage der offenen Tür statt, eine Gelegenheit, trotzdem mal vorbeizuschauen. Cornelia Gerner
Tage der offenen Tür: 8./9. Mai 1999, 11 bis 22 Uhr, Hubertusweg 60, 13465 Berlin. S 1 bis Frohnau, dann Bus 125 bis Hubertusweg
Das freundliche Ambiente hat seinen Preis: Frohnau ist nicht der Hit für Galeristen aus dem Zentrum
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen