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Litanei über unlösbare Widersprüche

■ Ein Jahr PUA Filz: Jubiläumssitzung mit BAGS-Amtsleiterin Elisabeth Lingner über die Millionenaffäre ihres Kollegen Uwe Riez

Und dann, sagt die Zeugin, sei sie energisch geworden. Sie habe „den Herrn Riez“ angerufen und ihm gesagt: „So geht das aber nicht.“ Bewirkt hat das nichts, und das Gegenteil würde auch niemand für möglich halten, der die mehrfachen Auftritte von Elisabeth Lingner vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Filz verfolgt hat. Durchsetzungsfähigkeit ist nicht das herausragende Merkmal der Amtsleiterin in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS).

Auch am Freitag abend nicht. Bis in die Nacht hinein begehrte der Ausschuß Auskunft darüber, warum Lingner in der Affäre um ebenso dubiose wie millionenschwere Zahlungen an den Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit (HAB) „nicht mal auf den Tisch gehauen“ habe? Sie als verantwortliche Abteilungsleiterin hätte Entscheidungen zu treffen gehabt.

Wenn sie nicht die Achseln zuckte, erklärte die Sozialdemokratin litaneiartig immer dasselbe. Die „jahrelangen Dissenspunkte“ zwischen ihrem Amt und der HAB seien „nicht aufzulösen gewesen“. Andererseits habe sie Entscheidungen „doch schon“ getroffen. Dumm nur, daß es diese nicht schriftlich gibt, dumm auch, daß sie nie von ihren MitarbeiterInnen in Zuwendungsbescheide umgesetzt wurden. Und genau darum geht es.

Der frühere SPD-Abgeordnete Uwe Riez hatte als Geschäftsführer der HAB Anfang der 90er Jahre die Bescheide aus Lingners Amt nicht akzeptieren wollen und regelmäßig Widersprüche eingelegt. In der Konsequenz flossen von 1990 bis 1994 etwa 257 Millionen Mark ohne rechtsgültigen Bescheid von der BAGS an die HAB; weitere knapp drei Millionen Mark waren umstritten. Die HAB arbeitete mit doppelten Abschreibungen, sammelte unzulässige Rücklagen an und machte fragwürdige Rückstellungen. Bis Herbst 1996 war Amtsleiterin Lingner nicht in der Lage gewesen, die Sache zu klären.

Am 1. September jenes Jahres übernahm ausgerechnet Uwe Riez, der 1995 in die BAGS übergewechselt war, von Lingner die Verantwortlichkeit für die Arbeitsmarktpolitik und damit auch die Zuständigkeit für die HAB. Innerhalb von drei Monaten sorgte er per rückwirkendem Sammelbescheid über rund 260 Millionen Mark für Klarheit: Alles, was der HAB-Geschäftsführer Riez gefordert hatte, bewilligte der nunmehrige Amtsleiter Riez nachträglich.

Kein Wunder, daß dieser Vorgang im PUA Filz vielerlei Fragen aufwirft, die vielleicht ja Uwe Riez beantworten kann, der demnächst vor den Ausschuß geladen werden wird. Lingner jedenfalls konnte kaum eine befriedigende Antwort geben auf der freitäglichen Jubiläumssitzung des PUA.

Am 7. Mai 1998 hatte er zum ersten Mal getagt, um Licht in die Vetternwirtschaft in der BAGS zu bringen. Anlaß war die Ehegatten-Affäre von Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) gewesen, deren Aufdeckung durch die taz hamburg sie am 1. März vorigen Jahres in den Rücktritt trieb.

Sven-Michael Veit

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