: Von den Füßen auf den Kopf
Rütteln, schütteln und Kräfte verschlanken: Die Berliner Hochschule der Künste hat ihre Organisationsstrukturen neu geordnet und auch ein paar neue, fachübergreifende Studieneinrichtungen geschaffen ■ Von Ulrich Clewing
Mit dem Begriff Multimedia hat er offenbar seine Schwierigkeiten, der neue Multimedia-Professor der Hochschule der Künste. Multimedia, das klingt irgendwie altmodisch, findet Willem Velthoven, so nach Ton-Bild-Dia-Show in der Urania. Lieber solle man in Zukunft ein anderes Wort verwenden, meint der Mann aus Amsterdam: Monomedia. Da werden die Honoratioren, die vor wenigen Tagen Velthovens Antrittsvorlesung hörten und Multimedia immer noch für ein Synonym von Avantgarde halten, doch ein wenig geschluckt haben. Sei's drum. Die Zeiten ändern sich, was man nicht zuletzt auch daran merkt, daß der 41jährige Niederländer der erste Lehrer an einer deutschen Kunsthochschule ist, dessen Gehalt ein privater Sponsor bezahlt.
Den StudentInnen dürfte das freilich egal sein. Zumal die Finanzierung von Velthovens Professur lediglich ein Aspekt des einschneidenden Wandels ist, mit dem sich die HdK seit zwei Jahren konfrontiert sieht. Wer die Hochschule von früher kannte, wird sie heute nicht wiedererkennen. Fast scheint es, als sei die altehrwürdige Lehranstalt unter heftigem Rütteln und Schütteln von den Füßen auf den Kopf und wieder zurück gestellt worden: Zwei eng beschriebene DIN-A4-Seiten umfaßt das Informationsblatt zum Thema „Umzüge innerhalb der HdK“, das die Orientierung erleichtern soll. Statt der ehemals elf Fachbereiche gibt es nun vier Kernfakultäten: Bildende Kunst, Gestaltung, Musik und Darstellende Kunst. Dazu kommt der Bereich Erziehungs- und Gesellschaftswissenschaften (vulgo: die Lehrerausbildung, die bislang von den Fachbereichen 6 und 11 angeboten wurde), der so lange bestehenbleiben wird, bis „eine andere Institution“, wer immer das sein mag, die Aufgaben übernimmt, so der Präsident der Hochschule der Künste, Lothar Romain. Bewirken soll das Ganze – die Politiker wird's freuen – eine „organisatorische Bündelung und Verschlankung der Kräfte“ (Romain). Ob das gelingt, muß sich erst noch zeigen. Nötig wär's, nicht nur wegen der rigiden Sparzwänge des Senats: Die Hochschule der Künste, die 1996 den dreihundertsten Jahrestag ihrer Gründung feierte, ist die bei weitem größte Kunstakademie in Deutschland. Rund 260 ordentliche Professoren und Professorinnen unterrichten dort, darüber hinaus 200 künstlerische und wissenschaftliche MitarbeiterInnen sowie annähernd 500 Lehrbeauftragte; allein an den vier Kernfakultäten sind etwa 4.300 StudentInnen eingeschrieben. Daß eine Verwaltung da schon mal den Überblick verliert, wen wundert's?
Doch die Veränderungen, die die HdK derzeit durchmacht, beschränken sich nicht auf eine Neuordnung der Organisationsstrukturen. Zusätzliche, fachübergreifende Studieneinrichtungen wurden geschaffen. So existieren seit dem letzten Wintersemester die Institute für transmediale Gestaltung und für zeitbasierte Medien, die beide demnächst das renovierte HdK-Gebäude in der Schöneberger Grunewaldstraße beziehen werden. Hinter den etwas umständlichen Formulierungen verbergen sich Studiengänge wie beispielsweise „Experimentelle Mediengestaltung“, die neue Möglichkeiten in den Sparten Film, Video und Computeranimation bieten soll. Bewerben können sich StudentInnen aus allen Fakultäten der HdK. Einzige Voraussetzung: ein absolviertes Grundstudium und eine Grundausbildung in „Theorie und Praxis der zeitbasierten Medien“.
Neu sind auch das Graduiertenkolleg „Theorie und Praxis des künstlerischen Schaffensprozesses“, an dem promoviert werden kann, sowie der Ergänzungsstudiengang „Kunst im Kontext“, ebenso für Künstlerinnen und Künstler mit bereits abgeschlossenem Hochschulstudium.
Beibehalten wurde dagegen als eine der wenigen Errungenschaften des Streiksemesters von vor drei Jahren die Interflugs-Initiative für selbstorganisierte studentische Projekte. Das Büro befindet sich, allem Hin und Her zum Trotz, immer noch im Hauptgebäude der HdK in der Hardenbergstraße.
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