piwik no script img

Ein Büro mit Bierzapfanlage

■  Die Steglitzer BVV stimmt heute über die Abwahl des CDU-Sozialstadtrats Johannes Rudolf ab. Er soll Steuergelder in Höhe von 9,5 Millionen Mark verschwendet haben

Die Liste der Skandale ist lang. Sie reicht vom Vorwurf der Verschwendung von Steuergeldern durch illegale Zahlungen an Wohnheimbetreiber bis zum luxuriösen Ausbau des Dienstbüros. Heute stimmt die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz erneut darüber ab, ob Sozialstadtrat Johannes Rudolf (CDU) seinen Hut nehmen muß.

Rudolf steht seit zweieinhalb Jahren im Kreuzfeuer der Kritik. Im Februar 1997 entging er bereits einer Abwahl der BVV, die von den Steglitzer Grünen und der SPD initiiert wurde. Das Ergebnis war denkbar knapp: Es fehlte eine Stimme zur nötigen Zweidrittelmehrheit. Acht von 24 CDU-Fraktionsmitgliedern stimmten damals gegen den Sozialstadtrat.

Im September 1996 warfen Grüne und SPD Rudolf vor, daß das Sozialamt von November 1988 bis April 1996 monatlich 10.600 Mark für die Unterbringung und Verpflegung einer neunköpfigen Familie in einer Eineinhalbzimmerwohnung gezahlt habe. Die Gesamtsumme habe sich auf etwa 900.000 Mark belaufen. Die Familie war jedoch im Wedding untergebracht, obwohl die Steglitzer Heime zu diesem Zeitpunkt nicht ausgelastet waren. Das Sozialamt mußte deswegen zusätzliche Gelder an den Heimbetreiber für den Leerstand zahlen.

Im Januar 1997 beschuldigten die Grünen Rudolf, daß er sein Büro für 44 000 Mark „sinnlos umgebaut“ und mit einer Zapfanlage „kneipenfähig“ gemacht habe. Die SPD-Fraktion hatte ihn zuvor bezichtigt, sich in einem Seniorenheim ein Privatzimmer mit Billardtisch eingerichtet zu haben.

Insgesamt soll sich der Schaden, den Rudolf verursacht habe, auf 9,5 Millionen Mark belaufen, schätzt Boris Buchholz, Geschäftsführer der Grünen-Fraktion in Steglitz. Auch der Rechnungshof ist bereits auf Rudolf aufmerksam geworden: Die Prüfbehörde beanstandete in einer Vorabstellungnahme des diesjährigen Berichts, der in Kürze veröffentlicht wird, daß Zahlungen an Heimbetreiber in Höhe von etwa 6,5 Millionen Mark von der Sozialabteilung des Amtes nicht ausreichend auf ihre Notwendigkeit geprüft worden seien. So seien 1,5 Millionen Mark Leerstandskosten unnötig gezahlt, 5 Millionen Mark für Tagessätze nicht ausreichend vom Bezirksamt geprüft worden. Die Behörde kritisiert eine „unwirtschaftliche Unterbringung von Flüchtlingen“ und eine „erkennbare Sorglosigkeit beim Abschluß von Verträgen“. Rechtliche Konsequenzen gab es für Rudolf bisher jedoch nicht. In einer BVV-Sitzung im Februar rechtfertigte Rudolf sich damit, daß er dem Rechnungshof bereits schlüssig dargelegt habe, daß Leerstandskosten zum damaligen Zeitpunkt unvermeidbar gewesen seien.

SPD und Grüne hoffen, daß ihr Abwahlantrag diesmal durchkommt. Boris Buchholz von den Grünen ist jedoch nicht besonders optimistisch: „Es herrscht Wahlkampf, und deshalb wird die CDU diesmal zusammenhalten“, befürchtet er. Von SPD und CDU war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen