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Zehn Jahre für Götzfrid

■ NS-Verbrecher Alfons Götzfrid wird verurteilt, kommt aber auf freien Fuß

Stuttgart (dpa) – Einer der letzten noch lebenden NS-Verbrecher ist gestern vom Stuttgarter Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Allerdings kommt der 79jährige Alfons Götzfrid nicht ins Gefängnis, weil ihm seine Zeit in einem Zwangsarbeiterlager in Sibirien angerechnet werden mußte. Bereits 1947 war er in der Sowjetunion verurteilt worden.

Das Gericht sprach den aus der Ukraine stammenden Spätaussiedler gestern der Beihilfe zum Massenmord schuldig. Danach war Götzfrid am 3. November 1943 als Mitglied der Sicherheitspolizei während der sogenannten „Aktion Erntefest“ im Konzentrationslager Majdanek in Polen an einer Massenexekution beteiligt, der 17.000 Frauen, Männer und Kinder zum Opfer fielen.

Götzfrid, der nach Ansicht des Schwurgerichts als damals 24jähriger mindestens 500 Menschen eigenhändig erschossen hat, nahm das Urteil regungslos auf. Der Vorsitzende Richter Klaus Teichmann sagte zu ihm: „Sie waren für die Opfer die Inkarnation des Todes ... So muß die Hölle sein – und Sie waren einer der Folterknechte.“

Die Richter erkannten auf Beihilfe, weil Götzfrid auf der untersten Stufe der Befehlshierarchie stand. Für die Kammer war er lediglich „ein Endglied in der Mordmaschinerie“. Er könne sich jedoch nicht auf einen Befehlsnotstand berufen. Er sei vollständig in die Mordkommandos integriert gewesen und habe nie versucht, sich davon zu lösen.

Vor Gericht bestritt Götzfrid, selbst geschossen zu haben. Ihm sei angesichts des Grauens schlecht geworden, so daß er nur Patronen in Magazine gefüllt habe. Die Richter hielten das für unglaubwürdig. Götzfrid habe in der Sowjetunion und in Deutschland seine aktive Beteiligung eingeräumt.

Götzfrid wurde 1941 in der Ukraine von Deutschen angeheuert. Vor dem Massaker in Majdanek hat er nach Meinung der Richter als Mitglied der Einsatzgruppe D bereits an anderen Massenexekutionen von Juden, Partisanen und Kommunisten teilgenommen. Diese Taten spielten jedoch im jetzigen Prozeß keine Rolle.

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