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Ein kleines Fitzel grün

■ Begeisterung bei der Eröffnung des neu gestalteten Bahnhofsplatzes. Aber RadlerInnen, Rolli-FahrerInnen und Blinde wollen den Platz noch schöner machen

Dem Kellner des Bistros im Übersee-Museum steht schon der Angstschweiß auf der Stirn. Von der obersten Stufe des Löwenportals schaut er auf sein neues Ar-beitsrevier – weitläufige Sitzgruppen links und rechts der Treppe – und sieht schon seine Füße qualmen. Dabei lauscht die potentielle Kundschaft am anderen Ende des Rollrasens noch der Eröffnungsansprache von Bausenator Bernt Schulte. Der ist voll Lob über das Ergebnis 15monatiger Umbauarbeiten am Bremer Bahnhof: „Die alte Schmuddelecke war kein Entrée für Besucher, jetzt haben wir eine neue Visitenkarte.“

Bis zum Sommer 2000 allerdings dröhnt noch Baulärm aus der Bahnhofshalle. aber wer raustritt, steht jetzt auf einem richtigen Bahnhofsplatz – mit Granitpflaster aus China, auf 36.000 Quadratmetern in Kleinarbeit verlegt. „Granit, Glas und Grün gibt dem Ganzen einen besonderen Pfiff“, lobt Bausenator Schulte.

Busse und Straßenbahnen halten schon länger in wohlgeordneten Schlangen vor Glasdächern. Schöner Service für die Fahrgäste: So stehen sie nicht mehr im Regen. Schlechten Service hat dagegen Jürgen Karbe entdeckt: Den Blinden verwirren die vielen Fahrzeuge, die jetzt alle an derselben Haltestelle vorfahren. „Ohne Fragen komme ich hier nicht durch“, klagt er. Richtig gefährlich wird es, wenn Leitstreifen, die er mit dem Stock erfühlt, ins Leere laufen – und er plötzlich mitten auf den Schienen steht. Die geriffelten Leitstreifen zur Orientierung fehlen besonders am viel befahrenen Breitenweg, kritisiert auch der Blinden- und Sehbehindertenverein.

Auch Rolli-FahrerInnen überreichten dem Bausenator gestern ein Los für ihre „Enthinderungstombola“: Zwar ist die neue Flaniermeile insgesamt schön eben – und auf der Seite des Übersee-Museums gibt es auch eine Rollrampe zur abgesenkten Grünfläche. Aber das ist weit vom Bahnhofsportal entfernt. „Vorne stehen wir vor Treppenstufen und müssen umkehren“, sagt Wilhelm Winkelmeier von „Selbstbestimmt leben“. „Wir waren anfangs in die Planungen einbezogen – aber da war nicht zu sehen, daß die Grünfläche abgesenkt wird.“ Das sei später ohne Behindertenmitsprache geändert worden. Der Referent des Bausenators Hartmut Spiesecke sieht das locker: Wo kleine Nachbesserungen, etwa die Leitstreifen für Blinde, nötig seien, „kann man mit uns reden.“ Geld wäre da. Von den eingeplanten 61 Millionen Mark Umbaukosten sind nur rund 57 Millionen ausgegeben worden, sagt Spiesecke.

Mit einem Transparent machen unterdessen auch Bündnisgrüne auf eine noch ungeklärte Frage aufmerksam: Wo bleibt die richtige Fahrradstation? „Provisorische Abstellplätze für Fahrräder werden im nächsten Jahr aufgestellt“, verspricht der Bausenator. Erst im Herbst wolle die Große Koalition – vorausgesetzt sie regiert wieder – entscheiden, ob ein Fahrradparkhaus mit Reparatur- und Leihservice-Station für rund zwei Millionen Mark zwischen Bahnhofsgebäude und DB-Verwaltungshaus gebaut wird. Oder ob die Räder – für viel weniger Geld – im wenig attraktiven Bunker unter dem Bahnhofsplatz unterkommen.

Nur die TaxifahrerInnen sind zufrieden. Sie haben ihre Anliegen durchgesetzt. „Auf den ersten Plänen gab es nicht mal Taxiplätze“, sagt Wolfgang Verbeek kopfschüttelnd. „Jetzt stehen wir zwar eng, aber wir sind hier.“ juf

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