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Nato weicht ihre Forderungen auf

■ Die Allianz bewegt sich auf das Konzept der Gleichzeitigkeit von serbischem Truppenabzug und Nato-Feuerpause zu

Genf (taz) – Die Nato weicht hinter den Kulissen ihre als „unverhandelbar“ deklarierten fünf Forderungen an Belgrad und die Vorbedingungen für eine Unterbrechung des Luftkrieges zunehmend auf. Das wurde sowohl bei den gestrigen Beratungen von Vertretern der G 8-Staaten in Bonn deutlich wie auch beim Moskauer Treffen Wiktor Tschernomyrdins mit dem Vizeaußenminister der USA, Strobe Talbott, und dem als EU-Vermittler fungierenden finnischen Präsidenten Ahtisaari.

Statt wie bislang zumindest den nachprüfbaren Beginn des Abzugs serbischer/restjugoslawischer Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zur Vorbedingung für eine Feuerpause zu machen, bewegen sich die Nato-Staaten inzwischen auf das Konzept der Gleichzeitigkeit zu: An einem noch zu vereinbarenden Datum beginnt zu einer festgelegten Uhrzeit der Abzug. Gleichzeitig stellt die Nato die Luftangriffe ein. Zum selben Zeitpunkt rücken auch die ersten Verbände einer internationalen Schutztruppe in das Kosovo ein und beschließt der Sicherheitsrat die vorab von den G 8-Staaten vereinbarte UNO-Resolution mit dem Mandat für diese Truppe.

Bei einem solchen Szenario könnten sowohl die Nato als auch Miloevic ihr Gesicht wahren, und auch den Bedenken Rußlands und Chinas, die die Befassung des Sicherheitsrats mit einer Kosovo-Resolution bislang von der vorherigen Einstellung der Nato-Luftangriffe abhängig machen, wäre Rechnung getragen.

Auch von ihrer ursprünglichen Forderung nach einem Abzug „sämtlicher“ Armee- und Polizeikräfte Serbiens/Restjugoslawiens rückt die Nato zunehmend ab. Das Wort „sämtliche“ fehlte bereits im Kosovo-Beschluß des Washingtoner Nato-Gipfels von Ende April und dann auch in den „Grundprinzipien“ für eine Lösung des Kosovo-Konflikts, die am 6. Mai von den G 8-AußenministerInnen in Bonn vereinbart wurden. Zur Erklärung hieß es damals, als „symbolischer Ausdruck“ ihrer weiterbestehenden Souveränität über die südserbische Provinz müsse Belgrad ein „paar tausend“ Soldaten an den Grenzen des Kosovo belassen können.

Doch möglicherweise bleibt es nicht bei ein „paar tausend“ und kommt die Nato den sehr viel weitergehenden, bislang noch von Moskau unterstützten Forderungen Belgrads entgegen. Es ist nicht auszuschließen, daß die diplomatischen Verhandlungen letztlich auf folgendes Szenario hinauslaufen: In der nördlichen Hälfte verbleiben serbische/restjugoslawische „Sicherheitskräfte“ und werden russische Einheiten der Schutztruppe stationiert, in die südliche Hälfte müssen sich alle UÇK-Einheiten zurückziehen, und hier werden Nato-Verbände der Schutztruppe stationiert.

Ein solches Modell bedeutete zwar nicht erklärtermaßen, aber doch de facto die Teilung des Kosovo. Ob die vertriebenen Kosovo-Albaner dann noch in ihre Häuser in der nördlichen Hälfte zurückkehren, ist zweifelhaft.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl Lamers, sprach sich gestern für eine Teilung des Kosovo aus, weil Albaner und Serben jetzt nicht mehr zusammenleben könnten. Andreas Zumach

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