■ Dienstreise nach J.: Wann Siegel schweigt
Am Samstag wird in Jerusalem der Grand Prix d'Eurovision vergeben. taz-Schlagerexperte Jan Feddersen begleitet die Schlager-Schlachtenbummler und berichtet täglich von den Vorbereitungen.
Heute abend gibt Ralph Siegel einen Empfang für befreundete Journalisten. Er wird dann wieder darüber klagen, daß seine Gruppe „Sürpriz“ von deutschen Radiostationen boykottiert wird: „Das ist denen zu türkisch“, sagte er gestern schon. Die deutsche Delegation hält sich auch zurück mit Empfängen oder Parties. Die Botschaft ist noch erschöpft von den Festivitäten zum 50. Geburtstag des Grundgesetzes – daß mit „Sürpriz“
erstmals Deutschland von einer muslimischen Gruppe repräsentiert wird, war dem Kulturattaché keine besondere Anstrengung wert. Marios Konstandinou, Sprecher der zypriotischen Grand-Prix-Supporter, fragte: „Warum machen die Deutschen immer nur Festessen, aber keine Party zum Sehen und Gesehenwerden?“ Immerhin findet erstmals, ausgerichtet von der Jerusalemer Gruppe „Die anderen zehn Prozent“, offiziell eine Schwulen- und Lesbenparty statt. Das heißt, daß die Eurovisionsverantwortlichen langsam anerkennen, wer dem Wettbewerb jahrelang die Treue hielt. Ralph Siegel hat das immer noch nicht begriffen. Der „Sürpriz“-Sänger Cihan Özden erzählte bei seiner Pressekonferenz, Siegel habe die Gruppe kennengelernt, als er in einem Taxi ein türkisches Lied gehört habe. Der Taxifahrer vermittelte dem Komponisten die „Sürpriz“-Combo. Özden: „Der Taxifahrer war mein Ex-Lover.“ Siegel schaute während dieser Information zu Boden und ließ bei der englischen Übersetzung dieses Detail außen vor.
Jan Feddersen
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