: Das Krebsrisiko aus dem Auspuff
Schwedische Studie: Jeder zehnte Lungenkrebs vom Verkehr verursacht. Trotz Einhaltung der Grenzwerte hohes Gesundheitsrisiko bei Abgasen ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Wer in den Verkehrsschluchten einer Großstadt lebt, muß nicht unbedingt rauchen, um sein Lungenkrebsrisko kräftig zu steigern. Die vom Autoverkehr ausgehenden Luftverunreinigungen genügen, um die Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung der Luftwege und Lungen in die Höhe zu schrauben. Und vor allem auf Dieselautos sollte bald ein Aufkleber informieren: „Die EU-Gesundheitsminister warnen: Der Aufenthalt in der Nähe laufender Dieselmotoren kann Ihrer Gesundheit schaden.“ Dies legt zumindest das Resultat einer gerade veröffentlichten schwedischen Studie vor, nach der jeder zehnte Lungenkrebsfall auf das Konto des Drecks geht, den der Autoverkehr produziert.
In die von der Umweltbehörde der Stadt Stockholm und dem staatlichen „Karolinska Forschungsinstitut“ durchgeführten Untersuchung gingen 3.400 Personen ein, darunter 1.000 mit Lungenkrebserkrankung. Deren Wohnadressen seit 1950 wurden mit der entsprechenden Verkehrsdichte in diesen Straßen verglichen. „Das Resultat ist eindeutig“, so Fredrik Nyberg, Umweltmediziner am „ Karolinska Institut“: „Es besteht eine 40prozentige Risikosteigerung für eine Krebserkrankung bei denen, die in besonders verkehrsdichten Wohngebieten gewohnt haben oder wohnen.“ Die ForscherInnen halten weniger die Benzin- als die Dieselautos für die hauptsächlichen Bösewichter: „Dieselabgase sind am gefährlichsten“, so Professor Göran Pershagen, Leiter der Forschungsgruppe, „und da ist es natürlich besonders beunruhigend, daß ausgerechnet der Anteil von dieselgetriebenen Pkws im Verkehr ständig steigt.“
Die ForscherInnen halten das Ergebnis ihrer Studie für übertragbar auf andere Großstädte, aber auch kleinere vom Durchgangsverkehr besonders belastete Orte. Einen noch eindeutigeren Zusammenhang von Dieselabgasen und erhöhtem Krebsrisiko fanden die Forscher bei Untersuchungen in der Arbeitswelt: Wer am Arbeitsplatz alltäglich den Stoffen ausgesetzt ist, die Dieselmotoren freisetzen, läuft sogar ein um 70 Prozent erhöhtes Lungenkrebsrisiko. Alarmierend fanden die Untersuchungen, daß an allen untersuchten Arbeitsplätzen die Menge der Dieselabgase weit unter den jeweils geltenden Grenzwerten lagen. „Das“, so Professor Göran Pershagen, „deutet darauf hin, daß diese Grenzwerte dringend diskutiert werden müssen, da sie offenbar keineswegs vor dem Lungenkrebsrisiko schützen.“
Die schwedische Studie schlägt nicht nur Alarm, was Dieselmotoren angeht, sondern gibt auf der anderen Seite auch Entwarnung für einige ebenfalls verdächtige Krankheitsfaktoren in der Arbeitsumwelt. So fand sich kein Ursachenzusammenhang zwischen den beim Schweißen oder den beim Umgang mit erhitztem Öl freigesetzten Dämpfen und einem erhöhten Krebsrisko. Dagegen scheinen aber die Luftverunreinigungen, die von Verbrennungsprozessen in Metallschmelzwerken verursacht werden, ebenfalls von deutlich gesundheitsschädlicher Art zu sein.
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