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Die Bundes-SPD macht Scheibenwischerzeichen

■ Darf Scherf den Bonnern in die Suppe spucken? – Konzentration auf Europawahl

Bonn (taz) – Seit der Hessen-Wahl verfügt Rot-Grün nicht mehr über die für Zustimmungsgesetze nötige Mehrheit im Bundesrat. Das könnte sich ändern, wenn die Große Koalition in Bremen durch eine Alleinherrschaft der SPD oder eine rot-grüne Mehrheit abgelöst würde. Die 490.899 Wahlberechtigten bei den Bremer Bürgerschaftswahlen spielen das bundespolitische Zünglein an der Waage.

Die Sozialdemokraten im Bund spielen die Bedeutung der Bremen-Wahl herunter. In der Sommerpause, so heißt es, gebe es keine Bundesratssitzung; danach könne sich durch die im September anstehenden Landtagswahlen sowieso alles ändern. Tatsächlich kann die SPD aber kaum darauf hoffen, durch die Wahlen in Brandenburg, Thüringen, Sachsen und im Saarland die Bundesratsmehrheit zu ihren Gunsten zu verändern. Sie müßte schon in Thüringen oder Sachsen allein oder mit den Grünen regieren können – nur dann bekommt sie zusätzliche Stimmen, um die absolute Mehrheit zu erreichen.

Die Bundespartei hält sich auch deshalb so bedeckt, weil der Bremer Bürgermeister Scherf erklärtermaßen an einer Großen Koalition festhalten will – selbst dann, wenn eine rot-grüne Mehrheit möglich ist. Öffentliche Drohungen der Bundespartei gegen einen Landesfürsten machen sich da vor einer Wahl nicht gut, und außerdem besteht ja die Hoffnung, daß die SPD es auch allein schafft.

In Bonn macht trotzdem so mancher das Scheibenwischerzeichen. Darf ja wohl nicht wahr sein, daß der Scherf der Bundespartei so in die Suppe spucken will. Allerdings, lautet die weitverbreitete Hoffnung, würde er sich möglicherweise doch noch rumkriegen lassen, zumal eine Große Koalition selbst in der Bremer SPD umstritten ist. Andererseits weiß man spätestens seit der Sachsen-Anhalt-Wahl, als sich Wahlsieger Höppner gegen den Willen der Parteiführung für eine von der PDS tolerierte Minderheitenregierung entschied, welche Macht die Landesfürsten haben. Erst recht wenn sie, wie Scherf, persönliche Erfolgsgaranten sind.

Und so heißt es bescheiden aus der Parteizentrale: Wir hoffen auf ein gutes Ergebnis in Bremen, damit wir bessere Voraussetzungen für die Europawahl eine Woche später haben. Ein gutes Ergebnis wäre ein Signal, „daß die Verunsicherung überwunden wäre“. Aber ob die sich durch ein gutes Ergebnis in einem Stadtstaat beheben läßt, in dem der SPD-Bürgermeister selbst von vielen CDU-Wählern als Wunschkandidat bezeichnet wird?

Die Bundes-SPD hat in die Bremen-Wahl nicht viel investiert. Kanzler Schröder war einmal da, die Minister sind in Bonn geblieben. Bundesgeschäftsführer Schreiner konzentriert sich auf die Europawahl und hofft, daß sich ein Friedenspflänzchen im Kosovo entwickelt. Das würde die Chancen der SPD bei der Wahl verbessern. Der Europawahl. Markus Franz

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