piwik no script img

Weitere Aussichten: wechselhaft

Vergessen Sie's! Letztlich kann Ihnen ja doch niemand sagen, wie an diesem Wochenende das Wetter wird. Aber die taz weiß, wie die Wetterberichte sein werden: Der ultimative „TV-Wetter-Test“  ■   Von Frank M. Ziegler

Seit Jörg „Wettermään“ Kachelmann über das deutsche TV-Wetter hereinbrach, scheint ja jeder Fernsehkanal zu denken, er müsse aus „Kaufbeuren, bewölkt, 12°“ einen nie dagewesenen Medien-Event machen. Zeit also für den ultimativen TV-Wetter-Test „Wo das Wetter am schönsten ist“:

Das ZDF-Wetter um 19:20 Uhr nach „heute“ wird uns von dem hüpfenden grünweißen Regenschirm einer gewissen „Beraterbank“ präsentiert, die es offensichtlich angemessen findet, dabei „I'm singing in the rain“ spielen zu lassen. Dann erscheint Elke Heidenreich vor einer angsteinflößenden Riesen-Europakarte, auf der jede Menge große rote „W“ zu sehen sind, die vermutlich „Wetter“ bedeuten sollen. Elke erklärt uns das aber nicht näher, und bei genauerem Hinsehen erkennen wir auch, daß sie gar nicht wirklich Elke Heidenreich ist, sondern nur die einzige Frau auf der Welt, die Elke Heidenreichs Frisur kopiert hat. Eine sehr mutige Frau also, zumal während ihrer Berichterstattung große blaue Pfeile in Windrichtung über sie hinwegzischen und sich wilde Kringel kringeln und Kreise kreiseln. Elke ficht das nicht an. Sie ist sich sicher, daß es Regen geben wird. Der weißgrüne Regenschirm freut sich.

Der debil grinsenden Flasche Selbstbräunungscreme, die uns nach den Pro 7-Nachrichten um 19:46 Uhr „das Wetter präsentieren“ will, kann die Schlechtwetterfront letztlich nur recht sein. So kann Wetterfee Else Buschheuer selbst dem schlechtesten Wetter noch gute Seiten abgewinnen: „Da prasselt im Westen schon mal der Regen an die Fenster. Also, ich finde das sehr schön!“ Die Zuschauer, die in der Nacht nach dem Sturm umgefallene Bäume von den Straßen zerren mußten, werden auf Frau Buschheuers werte Meinung wohl gepfiffen haben.

Immerhin verzichtet Frau Buschheuer bei ihren Voraussagen aber auch auf jeden technischen Firlefanz. Mit bloßen Fingern zeigt sie auf Berlin, Köln oder München, während sie uns berichtet, wie toll dort das Wetter grade ist. Für die „weiteren Aussichten“ verzichtet Pro 7 sogar ganz auf die Wetterkarte: Statt dessen zeigt uns Frau Buschheuer einfach drei schnörkellose bildschirmfüllende Kalenderblätter, von denen wir aber nur zwei sehen können, weil Frau Buschheuer meist vor dem dritten steht und alles verdeckt.

Die RTL2-News um 20 Uhr geben sich fast schon öffentlich-rechtlich: Sie zeigen ihr Wetter ohne Werbung, ohne Aufwand, ohne Superlativ: Erst sieht man zirka drei Sekunden lang eine Frau, die ein bißchen aussieht wie Birgit Schrowange, dann gibt es einen überraschenden Schnitt, plötzlich hat sich die Dame in eine bildschirmfüllende, hübsch bemalte Wetterkarte verwandelt. Im Hintergrund ertönt zu dieser Froschkönig-Verwandlung Panflöten-Entspannungsmusik von der Art, wie man sie gelegentlich auch in Aufzügen preiswerter Wellness-Hotels zu hören bekommt. Während uns diese Einlullmusik einlullt, betet uns die nun unsichtbare Ansagerin das gesamte Europawetter herunter, bis wir alle eingeschlafen sind. Um uns nicht zu wecken, sagt niemand tschüs. Das RTL2-Wetter bedarf keiner Höflichkeitsfloskeln.

Im täglichen ARD-Boulevard-Magazin „Brisant“ kriegt man gegen 17:40 Uhr jenes „Bio-Wetter“ präsentiert, das eigentlich gut zu der Panflötenmusik von RTL2 passen würde. Erstaunlich, daß hier eine häßliche schwarze Comicfigur mit Karottennase zu Diskomusik herumhüpft und uns weismachen will, daß wir im Nordwesten „eventuell Kopfschmerzen und Konzentrationsschwäche“ kriegen werden, weil's dort schwül wird. Für die „klimabedingten Schlafstörungen im Nordosten Deutschlands“ empfiehlt das hüpfende Wettermonster die sogenannte Tanztherapie, und am Ende fällt es auf die Fresse. „Weitere Aussichten“ gibt es deshalb erst gar nicht bei „Brisant“.

Täglich um 18:45 Uhr zeigt Sat.1 nicht irgendein Wetter, sondern „Unser Wetter“ mit Andrea Ballschuh. Die hat bestimmt nie Kopfschmerzen und steht lachend in einem Studio mit einer neckischen Wetterkartenprojektion, die so übersichtlich und verständlich ist, daß es schon gespenstisch wirkt. Zwei Minuten, und wir wissen alles über heute, morgen und übermorgen, was der Wetterdienst STEPS-WSI hergibt. Es wird regnen. Basta.

Das RTL-Wetter um 19:05 Uhr treibt dagegen ungeheuren Aufwand mit Showstar Tiefausläufer: Da sieht die Pop-up-Grafik aus wie von George Lucas höchstpersönlich computeranimiert, da rollt bei einer sinnlosen Außenschaltung mal eben eine sportliche Dame mit Inlineskates durchs Bild, die erzählt, wie toll es ihr bei der Sonne gehe, da blitzt, funkelt und flackert es auf der Wetterkarte, daß man die Blitze am liebsten anfassen und mit auf die Toilette nehmen möchte. So viel Gedöns um ein „vorübergehendes Tief über Bayern“ kann nur ein Sender machen, der gleich im Anschluß bei „Explosiv“ zeigt, wie ein sehr blöder Mann „sich aus Versehen mit Sekundenkleber selbst am Steuerrad seines Autos festgeklebt hat“. Sonntag soll es laut RTL-Wetter-Overkill übrigens 14 bis 21 Grad geben. Das erfährt man dort aber nur so am Rande.

Die gute alter ARD hält diesem sportlichen Aufwand in ihren 22:30 Uhr-„Tagesthemen“ eine gekonnte 3-D-Wetter-Regatta entgegen: Der Zuschauer fliegt im Zeitraffer über ganz 3-D-Deutschland, knallt fast gegen das Siegestor und die Frauenkirche und hört dabei die Stimme einer Dame, die sagt: „Wir starten unsere Reise heute in Köln in Richtung Dresden.“ Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen war echt ein Dreck dagegen ...

In der ARD-Spezialwettersendung „Das Wetter“ um 19:52 Uhr vor der „Tagesschau“ ist noch alles wie vor Kachelmann: Eine Sendung von Meteorologen für Meteorologen. „Heute 13 Liter Regen in Bochum“ erklärt uns eine ferne Stimme, während ein Zeitraffer-Video das Wetter des ganzen Tages noch mal in drei Sekunden vorbeizischen läßt. Dann steht eine kalt lächelnde Claudia Kleinert vor einer kalt lächelnden Weltkarte mit kryptischer Auflösung, die wie ein unfertiges Bild von „Ministeck“ aussieht. Ein sogenanntes Regenradar läßt darauf ruckweise ein vornehmlich türkisfarbenes Siebdruckmuster vorbeizucken, dann kommen noch viele andere häßliche Wetterkarten, die alle wie die Hintergrundgrafik aus alten „Comodore 54“-Spielen aussehen, und Frau Kleinert erklärt uns kraft ihrer ARD-Informationskompetenz: „Die ganzen kleinen weißen Kreuzchen, das sind die Gewitterblitze“. Für die „weiteren Aussichten“ schaltet Frau Kleinert dann nochmal sinnlos ganz woanders hin, an irgendeine Hecke, an irgendeiner Autobahn, neben der irgendeine Frau steht, die in ein Mikrofon sagt, daß es am Sonntag zwischen 16 und 21° geben soll. Währenddessen flimmert am unteren Bildschirmrand ein merkwürdiger Fließtext entlang, der uns nie gehörte Ortschaften und ihre Temperaturen nahebringt: „Gainhofen 13/23“, „Daußer Ort 15/18, Itznang 15/23, Syke 16/21 ...“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen