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Unschuldige Hühner werden freigesprochen

■ Ab heute sollen in Belgiens Supermärkten wieder belgische Hühner verkauft werden. Andere Produkte folgen. Die beiden Hauptverdächtigen im Dioxinskandal bleiben in Haft

Berlin (Reuters/dpa/taz) – In belgischen Supermärkten sollen nach den Worten von Premier Dehaene ab heute wieder belgische Hühner zu kaufen sein, die nachweislich kein Dioxin-Futter erhalten haben. Ab morgen könnten dann Produkte aus Schweine- und Rindfleisch sowie Butter folgen, sagte Dehaene gestern in Brüssel. Die Lage normalisiere sich.

Die belgischen Behörden haben Listen vorgelegt, auf denen über 1.400 Bauernhöfe verzeichnet sind, die mit Dioxin verseuchte Tiernahrung verfüttert haben sollen. Auf Grundlage dieser Listen soll entschieden werden, welche Bauernhöfe ihre Produkte verkaufen dürfen. Belgien hatte Ende Mai ein Verkaufsverbot für Hühnerfleisch und Eier verhängt, nachdem öffentlich geworden war, daß mit Dioxin verseuchte Fette Tiernahrung beigemengt wurden.

Jean und Lucien Verkest, die beiden Hauptverdächtigen im belgischen Dioxinskandal, bleiben weiterhin in Haft. „Eine ausschließlich politisch motivierte Entscheidung“, monierte Hans Rieder, Rechtsanwalt der beiden Chefs der Futtermittelfirma Verkest, am Montag abend in Gent. „Jetzt, wo uns ganz Europa mißtrauisch beäugt, wie wir diese Affäre anpacken, kann es sich Belgien schlecht leisten, die beiden sogenannten Hauptverdächtigen laufenzulassen“, so Rieder.

Vater und Sohn Verkest waren am Montag abend zunächst freigelassen worden. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch sofort Berufung ein. Bis darüber entschieden sei, blieben die Verdächtigen in Haft, sagte ein Sprecherin der Staatsanwaltschaft in Gent. Anwalt Rieder machte geltend, daß es nicht erwiesen sei, daß die dioxinhaltige Fettbeigabe zu den Futtermitteln im Unternehmen seiner Mandanten entstanden sei. Da die genaue Quelle der Vergiftung tatsächlich noch nicht festgestellt werden konnte, wird beiden Männern Urkundenfälschung und Betrug vorgeworfen: Die Firma Verkest ließ ihre Kunden in dem Glauben, daß sie hundertprozentig tierisches Fett kauften, während es sich in Wirklichkeit um recyceltes Bratfett aus Holland handelte.

Nach einem Bericht der Zeitung De Financieel Economische Tijd kostet der Dioxin-Skandal die belgische Wirtschaft pro Tag rund eine Milliarde belgische Franc (etwa 50 Millionen Mark). Diese Berechnung basiere auf Außenhandelszahlen. Die Exporte von belgischen Fleisch- und Milchprodukten sind seit Beginn der Dioxin-Affäre versiegt.

Der Skandal um dioxinbelastete Lebensmittel wird nach Einschätzung der belgischen Regierung auch den Staatshaushalt belasten. Für die Etats 1999 und 2000 werde die Sache auf jeden Fall Folgen haben, sagte Haushalts- und Landwirtschaftsminister Herman Van Rompuy am Dienstag.

Zum Schutz vor der Einfuhr dioxinverseuchter Fleischprodukte aus Belgien hat das Bundeslandwirtschaftsministerium inzwischen die Sicheheitsmaßnahmen verschärft. An den Grenzen und auf den Straßen im grenznahen Bereich werden wieder Stichprobenkontrollen bei Transportfahrzeugen durchgeführt. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Die Grünen) hat Belgien gestern aufgefordert, Deutschland besser mit Informationen zu versorgen. Frankreichs Landwirtschaftsminister Jean Glavany hat sich für ein Verbot von Tiermehl als Zusatz im Tierfutter ausgesprochen. Eine Entscheidung darüber, so Glavany, müsse allerdings auf europäischer Ebene getroffen werden. Hera

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