: Gemeinsam gegen Schröder
■ Bereits im April brachten die Koalitionsfraktionen einen Antrag gegen Kredite für ukrainische AKWs ein. Sie wollen hart bleiben
Köln (taz) – Mit seiner Ankündigung, der Ukraine Kredite für den Neubau von zwei neuen AKWs genehmigt zu wollen, hat Bundeskanzler Schröder die Bundestagsfraktionen von Sozialdemokraten und Grünen gleichermaßen vor den Kopf gestoßen. Bereits im April hatten SPD und Grüne gemeinsam einen Antrag eingebracht mit der Forderung, keine Kredite zu genehmigen. Statt dessen wollen die Fraktionen konventionelle Kraftwerke finanzieren als Ersatz für die Abschaltung der verbliebenen Reaktorblöcke am Unglücksort im ukrainischen Tschernobyl.
Heute wird die vom Kanzler geplante Finanzierung der Ersatz-AKWs Khmelnitzky 2 (K 2) und Rivne 4 (R 4) auch Thema in der Kabinettssitzung sein. Auch im Falle einer positiven Entscheidung wollen sowohl Abgeordnete der SPD als auch der Grünen weiterhin gegen die Finanzierung kämpfen.
Die Grüne Michaele Hustedt fordert Schröder auf, wenigstens die parlamentarischen Beratungen des Antrages vor einer Entscheidung abzuwarten: „Der Antrag findet eindeutig eine Mehrheit im Parlament, alle grünen Minister sind gegen den Ausbau der Kraftwerke.“ Es fehle nur noch eine abschließende Beratung des in diesem Fall federführenden Umweltausschusses. Der werde nächste Woche tagen. „Man kann nicht hier für den Ausstieg plädieren“, sagte die Abgeordnete Hustedt, „und im Ausland einsteigen.“
Auch die SPD-Abgeordnete Monika Griefahn hält die Atomkredite für falsch: „Eine rationale Entscheidung wäre, die wirtschaftlich günstigere Variante zu wählen – das Gasturbinenkraftwerk.“ Gegen die Kredite demonstrierten gestern in Bonn auch die Umwelt- und Entwicklungsverband WEED und die Gruppe Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) gemeinsam mit ukrainischen Umweltschützern. Laut Greenpeace entsprechen die AKWs nicht den westlichen Sicherheitsstandards, sind völlig überteuert.
Schröders Ansinnen würde nicht nur den parlamentarischen Prozeß ausbremsen, sondern auch die Diskussion innerhalb der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBRD), an der Deutschland beteiligt ist. Diese soll zusammen mit der EU und zusätzlichen staatlichen Hermesbürgschaften den AKW-Bau finanzieren. Die EBRD will erst nach Prüfung der entsprechenden Expertenberichte, frühestens im Juli, zu einer endgültigen Entscheidung kommen.
1995 hatten die G-7-Staaten sich in einem rechtlich nicht verbindlichen „Memorandum of Understanding“ darauf geeinigt, der Ukraine für die Schließung von Tschernobyl Ersatzkapazitäten zu finanzieren. Darauf stellten die G 7 der Ukraine die Fertigstellung von Rivne 4 und Khmelnitzky 2 in Aussicht, obwohl der ukrainische Präsident Kutschma damals den Bau eines Gasturbinenkraftwerkes vorgezogen hätte.
Als Argument für den Bau der Ersatzreaktoren führt das Kanzleramt an, daß Deutschland nicht gegen die breite Befürwortung der G-7-Länder abstimmen kann und sich die Ukraine nicht erneut für den Bau des Gaskraftwerkes ausgesprochen hat. Die breite Befürwortung von K 2/R 4 seitens der G 7 wird allerdings zunehmend angezweifelt.
Der SPD-Abgeordneten Griefahn zufolge gibt es in der französischen Regierung Stimmen, die Gaskraftwerke befürworten, im englischen Unterhaus gebe es eine Resolution gegen K 2/R 4. Diplomatisch schwierig ist eine Entscheidung gegen K 2/R 4 laut Michaele Hustedt allerdings auch wegen der laufenden Friedensverhandlungen im Kosovo, da die Ukraine eine wichtige Rolle darin spiele. Maike Rademacher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen