: „Ein krasser Fall von Wahlbetrug“
■ BUND droht mit Widerstand, Agenda-Gruppen wollen runden Tisch verlassen, wenn Hollerland angetastet wird
„Wir waren sprachlos vor Wut“, so beschreibt BUND-Geschäftsführer Joachim Seitz seine Reaktion auf die Nachricht über den Vorstoß aus dem Rathaus zum Hollerland. Und der BUND verteilte eine Broschüre der SPD-Fraktion aus dem Wahlkampf, auf der fett steht: „Die SPD steht ohne Wenn und Aber zum Naturschutzgebiet Hollerland“. Zu den Versuchen, Naturschutzflächen für den Technologiepark abzuzwacken, oder für Straßenbau, sage die SPD „Nein und nochmals Nein“, heißt es da. „Ein krasser Fall von Wahlbetrug“ wäre es, sagt Seitz, wenn die SPD sich nun auf etwas anderes einlassen würde. Einen neuen „historischen Kompromiß“ mit den Naturschutzverbänden werde es nicht geben, 1989 sei der „historische Kompromiß“ beschlossen worden, mit dem damals 20 Jahre Kampf ums Hollerland beendet wurden. Vor einem halben Jahr noch habe Bürgermeister Scherf versichert, daß der BUND auch zu den „positiven Kräften“ gehöre, die er „zusammenführen“ wolle. Wenn das heute schon alles nicht mehr gelten solle, dann müsse man daraus schließen, „daß man Politikern nicht vertrauen darf“. Vom BUND und von den Naturschützern jedenfalls habe Scherf „äußersten Widerstand“ zu erwarten.
Auch die Umwelt-Initiativen, die sich am runden „Agenda-21“-Tisch unter dem Vorsitz des Bürgermeisters treffen, verstehen nicht mehr, „was man an diesem Bürgermeister noch ernst nehmen kann“. Selbstredend ist dort die Idee, daß das Hollerland bebaut werden solle, nie zur Beratung vorgebracht worden. Und jetzt lesen die Agenda-21-Partner in der Zeitung, daß Scherf das Zubauen des Hollerlandes in den Koalitionsrunden mit der CDU „beratbar machen“ will.
Auch die SPD-Umweltsprecherin Traudy Hammerström war nicht eingeweiht: „Ich war wie vom Donner gerührt“, gestand sie. Sie geht davon aus, daß der für gestern Abend einberufene SPD-Parteitag eine eindeutige Resolution gegen diese Hollerland-Pläne beschließen wird.
Wenn das Hollerland bebaut wird, sollte zur Kompensation im Blockland die Landwirtschaft eingestellt und dort Naturschutz beschlossen werden. Das ist die Idee des neuen „historischen Kompromisses“. Noch am Dienstag aber hatten die Unterhändler von SPD und CDU beschlossen: „Für das Blockland ist ein ressortübergreifendes Agrarkonzept für die langfristige Sicherung der dortigen Kulturlandschaft erarbeitet worden.“ Das ist nichts anderes als eine Wiederholung des Bestandsschutzes für die Bauern dort.
Wütend ist BUND-Geschäftsführer Seitz auch über die Bemerkung von Scherf, es dürfe keine Tabu-Flächen geben. „Das ist der Sinn aller Naturschutzgesetze, daß es Flächen gibt, die tabu sind.“
Auch Umweltsenatorin Tine Wischer hat am Freitag vormittag klargestellt, daß für sie ein Antasten des Hollerlandes nicht in Frage kommt. Es steht nicht nur nach deutschem Recht unter Naturschutz, sondern ist auch bei der EU als Vogelschutzgebiet angemeldet und genießt den „Flora-Fauna“ Schutzstatus der EU, die also auch einer Aufhebung zustimmen müßte. Zwingende Voraussetzung dafür ist der Nachweis des Bedarfes. Den sehen allerdings auch Wirtschafts-Gutachter nicht, die die Frage im Auftrag des Senats geprüft haben. In den Jahren seit 1995 sind jedes Jahr nur 1,5 Hektar Erweiterungs-flächen für den Technologie-Park wirklich beansprucht worden. Das bedeutet, die derzeit zur Verfügung stehenden Erweiterungsflächen werden für 20 Jahre ausreichen.
Hinzu kommt, daß derzeit auch im Technologie-Park Grundstücke ohne Technologie-Bindung vergeben werden. Direkt neben dem Siemens-Gebäude etwa, das schon kaum etwas mit High-Tech zu tun hat, steht eines, das als „exklusives Bürogebäude“ zur Vermietung angeboten wird, berichtete Dieter Mazur von der Hollerland-Initiative. Der Makler sei keinerlei Technologie-Bindung eingegangen, jeder könne dort mieten. Mazur erinnert noch an etwas anderes: „80 Prozent der Firmen im Technolgie-Park sind Umsiedlungen innerhalb Bremens.“ Mit Subventionen für den Hochtechnologie-Park werden Firmen auf die grüne Wiese gelockt „und die Innenstadt verödet“.
Daß abgetrennt hinter der Autobahn liegende Flächen nicht günstiger wären als Erweiterungsflächen, weil die Autobahn den Technologie-Park davon abtrennt, hatte selbst ein Wirtschafts-Gutachter festgestellt. Ganz nebenbei macht Bremens Stadtplanungs-Politik die Chance, die alten Hafenflächen nahe der City neu zu nutzen, vollends zunichte, wenn jetzt auch im Hollerland noch riesige Flächen eingeplant werden. Aber das zuständige Ressort spielt in dieser Debatte sowieso keine Rolle. K.W.
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