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Empörung empört die Regierung

■  Obwohl in der Verfassung garantiert, tut sich Peru mit seiner Pressefreiheit schwer

Vor kurzem moderierte Perus Talkshow-Königin Laura Bozzo eine Informationssondersendung im wichtigsten Fernsehsender des Andenstaates, América. Thema: zehn Jahre Kampf gegen den Terrorismus. Es wurde eine Triumphvorstellung mit 33,2 Prozent Marktanteil. Denn auch wenn das Auswärtige Amt in Bonn Peru-Reisende weiterhin vor Anschlägen warnt: Den Terrorismus hat die Regierung von Präsident Alberto Fujimori nahezu beseitigt.

Auf der Strecke geblieben ist dabei aber auch die Pressefreiheit, und die Sendung selbst bot dafür ein sinnfälliges Beispiel. Ursprünglich hatte sie der TV-Starjournalist des Senders, Nicolás Lúcar, präsentieren sollen. Doch Lúcar hatte Anfang Mai gekündigt – aus Gewissensgründen: Jahrelang seien in seiner Sendung, Américas journalistischem Aushängeschild, Auffassungen vertreten worden, die er nicht geteilt habe. Familiäre Zwänge hätten ihn, der mit der Tochter des Senderbesitzers José Francisco Crousillat liiert ist, dazu getrieben, nur im Sinne der Regierung zu berichten. Daß sich nun plötzlich, nach acht Jahren pflichtschuldiger Berichterstattung, die journalistische Ehre geregt haben soll, glaubt in Lima aber kaum jemand, war Lúcar seinerzeit doch als stromlinienförmiger Ersatz für den kritischen Journalisten César Hildebrandt angeheuert worden.

Noch attestiert man Peru „keine Pressefreiheit“ ...

Die Zeit der Empörung aber hat das Land längst hinter sich gelassen. Eine Berichterstattung, die sich der Objektivität verpflichtet fühlt, wird in Peru ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen im einzigen Massenmedium, dem Fernsehen, sowieso nicht zugelassen. Lúcar steht mit den wichtigsten Konkurrenzprogrammen in Verhandlungen. Bald wird er in einem anderen Programm zu sehen sein.

Mehr Aufruhr verursachen Berichte im Ausland – wenn sie bis Peru vordringen. So reagierte die Regierung empört auf einen Bericht der amerikanischen Organisation Freedom House, der Peru bescheinigte, letztes Jahr als einziger Staat Südamerikas von „partieller Pressefreiheit“ auf den Status „keine Pressefreiheit“ abgesunken zu sein (siehe Karte).

Der peruanische Präsident, der sich im Fernsehen am liebsten bei Folkloretänzen im Kreise bäuerlicher Indios zeigen läßt, weist die Anwürfe des Komitee zum Schutz der Journalisten mit Sitz in New York entschieden zurück: Wenn Journalisten behelligt worden seien, müsse dem ohne jede Rücksicht nachgegangen werden, diktierte Fujimori der Tageszeitung El Comercio in den Block. Er selbst habe daran größtes Interesse. Dabei ist bekannt, wohin die Spur führt: ins Machtzentrum der Regierung selbst. Angriffe auf Journalisten, Folter, Geheimpläne und Todesdrohungen werden mit dem Servicio de Inteligencia (SIN) in Verbindung gebracht, und dessen Chef, Vladimiro Montesinos, gilt als engster Berater des Präsidenten. Besonders in Rage versetzt haben dürfte es Fujimori, daß ausgerechnet der Unternehmer Baruch Ivcher in New York den Bericht von Freedom House präsentierte. Ivcher, den früheren Besitzer des kritischen Fernsehsenders Canal 2, hatte die Regierung 1997 zum Schweigen gebracht, indem sie ihn erst der peruanischen Staatsangehörigkeit und anschließend seines Senders beraubte.

Oft allerdings sind subtilere Methoden geeignet, die Medien auf Kurs zu bringen. Die nach dem Staatsstreich vom April 1992 erlassene Verfassung garantiert zwar eine freie Presse ohne Zensur, und offiziell können die fünf kommerziellen TV-Stationen des Landes auch eine eigene Redaktionslinie bestimmen. Allerdings, so der Kolumnist Fernando Rospigliosi, der für die Zeitschrift Caretas und die Menschenrechtsorganisation Aprodeh tätig ist, werde derzeit mehr als die Hälfte der (bezahlten) Werbung vom Staat bestritten: „Wir haben nur eine Freiheit der Unternehmer.“ Und wo die Freiheit endet, wissen die Unternehmer nur zu gut. Außer Informations- und Anzeigenentzug drohen auch Besuche der Steuerfahnder, die gern auch mal solange suchen, bis sie etwas finden.

... doch demnächst will ein TV-Kanal objektiv berichten

Keine dem Fernsehen vergleichbare Rolle für die Regierung spielen die Printmedien. Berichte über den Geheimdienst oder über Waffengeschäfte sind allerdings auch für die kritische Caretas oder die parteiliche Oppositionszeitung La República tabu. Selbst die 160 Jahre alte, liberal-konservative El Comercio bekommt inzwischen den Zorn der Regierung zu spüren. Fujimori jedenfalls warf der Zeitung vor, eine Kampagne gegen das eigene Land zu führen. Eine Konfrontation, die sich zuspitzen könnte. In Kürze will der Verlag ein eigenes Nachrichtenprogramm, Canal N, ausstrahlen – und mit modernster Digitaltechnik und Reporterteams auf Harley-Davidsons (nach CNN-Vorbild) objektiv über Peru berichten.

Die Konformität der übrigen TV-News wird Canal N aber nicht gefährden, da sich nur eine Minderheit die teuren Kabelprogramme leisten kann. Im übrigen hat die Regierung zu verstehen gegeben, das schlechte Ansehen im Ausland sei auf Desinformationskampagnen zurückzuführen. Und Fujimori selbst gibt sich optimistisch: „Alles wird sich von selbst auflösen.“ Jann Gerrit Ohlendorf

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