: Grüne sehen bei Müllers Atomkonsens rot
■ Umweltminister Trittin rechnet nicht mit Einigung bei heutiger Energiekonsensrunde
Hannover (taz) – Auf dem Parteirat der Grünen ist der von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller angestrebte Atomkonsensvertrag zwischen Bundesregierung und AKW-Betreibern gestern auf einhellige Kritik gestoßen. Umweltminister Jürgen Trittin lehnte die von Müller geplante Laufzeit von 35 Jahren für alle AKW als zu lang ab und verlangte statt dessen eine Laufzeit von unter 30 Jahren. Nach Ansicht von Trittin wird es auf der heutigen Sitzung im Bonner Kanzleramt, bei der sich Schröder, Trittin und Müller mit den Spitzen der vier größten Energieversorger treffen, noch keine Einigung geben.
Nach der Parteiratssitzung nannte auch die grüne Atomexpertin und Vorsitzende der niedersächsischen Landtagsfraktion, Rebecca Harms, die Vorschläge des Wirtschaftsministers unakzeptabel. Vor allem dürfe das Abschalten von Atomkraftwerken nicht in die nächste Legislaturperiode verschoben werden, verlangte Harms. Die Höchstlaufzeit der Atomkraftwerke müsse daher „deutlich unter 30 Jahren liegen“.
Bei der von Müller vorgeschlagenen Laufzeit von 35 Jahren ginge das erste AKW im Jahre 2003 vom Netz. Für Harms ist auch auch die in Müllers Papier vorgesehene Absenkung von Sicherheitsstandards für AKW und die Schwächung der Atomaufsicht nicht hinnehmbar. Kritisiert hat der grüne Parteirat gestern auch, daß nach dem Vorschlag von Müller regenerative Energien nur bis zu einer Quote von zehn Prozent an der Gesamtstromerzeugung vom Staat gefördert werden dürfen.
Auf massive Ablehnung stieß Müllers Vorschlag eines Atomkonsensvertrages zwischen Bundesregierung und Betreibern gestern auch bei den Anti-AKW-Initiativen. Das von der rot-grünen Koalition selbst formulierte Ziel, den Atomausstieg in der laufenden Legislaturperiode unumkehrbar und umfassend gesetzlich zu regeln, werde mit dem Vertrag „in jeder Hinsicht verfehlt“, sagte der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Die vom Wirtschaftminister vorgeschlagene Laufzeit von 35 Jahren für Atomkraftwerke sei schlicht als Bestandsgarantie zu werten, kritisierte Ehmke.
In dem von Bundeswirtschaftsminister Müller vorgelegten siebenseitigen Papier findet sich allerdings das Wort Ausstieg ohnehin nur einmal, wobei der Ausstieg sogleich als ein Auslaufen der Atomkraft definiert wird: „Die Politik des Ausstiegs aus der Kernenergienutzung zur Stromerzeugung wird verwirklicht durch Verbot des Neubaus von Kernkraftwerken einerseits und das geordnete Auslaufen bestehender Kernkraftwerke andererseits“, so das Müller-Papier wörtlich.
Immerhin verpflichtet das Papier die AKW-Betreiber nicht, die 35 Jahre Laufzeit auch auszuschöpfen. „Dies schließt eine frühere Stillegung aus wirtschaftlichen Gründen nicht aus“, heißt es mit Blick auf die sehr großzügig bemessene AKW-Lebensdauer. Jürgen Voges
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