Kommentar: Bitte, Bodo, bleib!
■ Schröder läßt mit Hombach den rot-grünen Liebling ziehen
Deutschland ist in tiefer Trauer. Gerhard Schröder gibt seinen besten Mann und engsten Mitarbeiter im Kabinett frei. Bodo Hombach soll Koordinator des Balkan-Stabilitätspaktes werden. Dieses kontinentale Großprojekt hält der geborene Europäer Gerhard Schröder garantiert für zehnmal wichtiger als den Erfolg einer kleinen, popeligen, deutschen rot-grünen Regierung. Dafür braucht es Persönlichkeiten, so der Kanzler, von großer politischer Erfahrung und ausgeprägtem wirtschaftlichen und sozialpolitischen Verstand. Da es von Paris bis Moskau nur einen Mann dieses Kalibers gibt, hat Schröder keine Sekunde gezögert, den Liebling der rot-grünen Regierung, unser aller Bodo Hombach, in den Dienst der europäischen Sache zu stellen. Hombach selbst war natürlich auch ein bißchen traurig, aber dann dankte er seinem „Chef und Freund“ für diese „politische und unternehmerische Traumaufgabe“.
Soviel Selbstlosigkeit und Demut in der Politik gab es zuletzt im Oktober 1989, als Erich Honecker seinen Sessel als SED-Generalsekretär räumte – aus gesundheitlichen Gründen, versteht sich.
Heute kann man ja glattweg noch froh sein, daß Bodo Hombach wenigstens gesund ist. Denn sein Chef und Freund hat ihn kalt abserviert, abservieren müssen. Dem Kanzler wird es schwergefallen sein, seinen Einflüsterer, seinen kleinen Tony Blair im Geiste wegzuloben. Aber Schröder mußte ihn aus der Schußlinie nehmen. Am Ende waren alle hinter dem Kanzleramtsminister her: die SPD-Linken, die eigene Fraktion, die Grünen, die Rivalen im Kanzleramt. Für sie war vor allem Hombach für das miserable Regierungsmanagement verantwortlich. Wo der Minister hätte still koordieren müssen, war er als Krisenmanager und PR-Mann in eigener Sache unterwegs. Hombach ist für den Kanzler selbst zur Gefahr geworden, auch wegen der Ungereimtheiten beim Bau seines Hauses. Um ihn zu feuern, hat Schröder seine innenpolitisch stärkste Stunde genutzt. So hofft er zu vermeiden, daß ihm seine Entscheidung als Schwäche ausgelegt wird.
Das wird dem Kanzler sogar gelingen, denn die Erleichterung der meisten Genossen ist groß. Aber die SPD hat jetzt keinen mehr, den sie dafür verantwortlich machen kann, daß sie selbst nicht so genau weiß, was sie politisch eigentlich will. Doch, einen hat sie noch: Schröder. Ganz allein. Jens König
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen