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Nur wenige trauen sich „hamburgisch“

■ Wann eine einheitliche Bundesregelung kommt, ist weiter offen

„Ein bißchen Ehe“ sollte es werden, als vor knapp einem Jahr der Bundesrat der Ehe von schwulen und lesbischen Paaren zustimmte. Eine „eingetragene Partnerschaft“; Schwulen- und Lesbenvertreter forderten die Gleichstellung mit Hetero-Ehen, konservative Kräfte ruderten dagegen. Der Mittelweg schien die einzige Lösung.

Der Hintergrund: Die drei Nordländer Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen hatten dem Bundesrat zwei Anträge vorgelegt, die sich allein durch die Begründung unterschieden. Im Gegensatz zu dem schleswig-holsteinischen Antrag, der genau ausführte, welche rechtlichen Nachteile schwule und lesbische Paare erdulden müssen, beschränkte sich der Hamburger Antrag auf den Hinweis, daß das Europäische Parlament bereits 1994 in einer Entschließung seine Mitgliedsstaaten aufgefordert hat, gleichgeschlechtliche Paare Ehepaaren gleichzustellen. Inzwischen haben unter anderem Dänemark, Norwegen und Island diese Weisung in eigenes Recht umgesetzt.

Dem Hamburger Antrag stimmten nicht nur die rot-grün regierten Länder zu: Auch Berlin – schwarz-rot regiert – war für die eingetragene Partnerschaft. Bremen enthielt sich der Stimme, die unionsregierten Länder stimmten dagegen.

Als am 4. Juli dieses Jahres die ersten drei Paare den Weg zum Standesamt antraten und damit den Hamburger CSD eröffneten, sah die Welt ein wenig rosiger aus (taz vom 5. Juli). Experten schätzten, daß rund 200.000 heiratswillige Lesben und Schwule in den kommenden Tagen allein in Hamburg das Aufgebot bestellen würden.

Doch es kam anders: Nach über fünf Wochen waren es weniger als 25 Paare, die sich in das neu geschaffene Partnerschaftsbuch eintragen ließen. Und über diesen „Erfolg“ half auch nicht eine „ganz gerührte“ Gleichstellungssenatorin Krista Sager (GAL), die den allerersten Paaren für ihren Mut dankte.

Inzwischen gelten schwule und lesbische Paare als Angehörige. Das heißt, sie können bei Gerichtsprozessen gegen den Partner oder die Partnerin die Aussage verweigern, sie erhalten von Polizei und Krankenhaus Auskünfte, können als Alleinerbe eingesetzt werden und nach dem Tod ihres Partners weiter in der gemeinsamen Mietwohnung leben.

Doch Diskriminierung gebe es immer noch und auch noch länger, sagte Krista Sager noch am Tag der ersten Heirat. Darüber helfen auch keine Regenbogen-Fahnen vor dem Amtssitz der Senatorin. Die Hamburger Ehe müsse nicht nur ein symbolischer Antritt sein, „sondern auch politischen Rückenwind für eine Bundesregelung liefern“.

Und inzwischen gilt das „denkwürdige Ereignis“ trotz geringer Resonanz als „normal“ – ein wenig kitschig und spießig. Aber warum sollten Schwule und Lesben nicht auch das Recht haben, bürgerlich zu sein? sk

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