: Kultur macht Politik, Politik macht Kultur
Umbrüche in Hamburgs Kulturlandschaft: Kultursenatorin Christina Weiss im Gespräch ■ Von Gisela Sonnenburg
taz hamburg: Frau Dr. Weiss, hat sich Ihr Kulturkonzept für Hamburg in den letzten Jahren verändert?
Dr. Christina Weiss:
In den acht Jahren seit meinem Amtsantritt hat sich an der Idee, an den Zielen, die ich verfolge, nichts geändert. Ich will das Prinzip der Verjüngung: möglichst vielen jungen Leuten eine Chance geben und mit Innovation auf die Nöte, die finanziell da sind, reagieren. Was dazugekommen ist, ist der Kontakt mit der Wirtschaft.
Private Geldgeber spielen zunehmend eine wichtige Rolle.
Es gab immer ein großes Mäzenatentum in der Stadt, aber die jetzige Art, miteinander Projekte zu machen, ist neu. Das öffnet den Horizont. In der Handelskammer ist zum Beispiel ein Kulturausschuß geplant, und wir organisieren gemeinsame Veranstaltungen. Auch die Hamburgische Kulturstiftung und die Handelskammer kooperieren – und loben einen Preis aus für das originellste Kultursponsoring einer Firma.
Sponsoring fördert also Sponsoring. Sehen Sie auch Gefahren bei der Geldzuführung durch Firmen, Stiftungen, Mäzene?
Es gibt die Gefahr, vor der alle Angst haben: daß Bedingungen gestellt werden, die die Kunst betreffen. Ich habe das aber noch nie erlebt, und es handelt sich wohl eher um ein Vorurteil der Kulturszene gegen die Wirtschaft.
Eine subtile Durchsetzung von Eigeninteressen fürchten Sie nicht?
In den Konzept- und Vorgesprächen kann man vieles steuern, ich habe keine Berührungsangst. Ich habe wendige, kreative und flexible Partner in der Wirtschaft erlebt, auch, daß von der Wirtschaftsseite Anregungen kommen, Wünsche artikuliert werden, die dann sehr fruchtbar wirken.
Im Bereich neue Medien wird Hamburg erstarken.
Der Geist der Stadt ist für die neuen Medien extrem offen. Und die Politik ist bereit, attraktive Ansiedlungsorte bereitzustellen.
Hamburg bekommt zudem ein neues Musikfest mit dem Schwerpunkt des 20. Jahrhunderts.
Als wir das alte Musikfest abschafften – aus Spargründen – hatte ich im Kopf, irgendwann ein neues zu starten. Durch den Erfolg des Dirigenten Ingo Metzmacher hatte ich Chancen, finanzielle Partner zu finden.
Ist es nicht mutig bis risikoreich, auf die oft ungeliebte moderne ernste Musik zu setzen?
Wir können nicht davon ausgehen, daß sofort ein riesiges Publikum da ist. Es ist allerdings einer der größten Mängel in der zeitgenössischen Kultur, daß die Musik, die heute komponiert wird, am wenigsten vermittelt und verstanden wird. Die Malerei zu begreifen, findet man viele Hilfestellungen: Ausstellungen, Erklärungen, Fernsehsendungen, die einem helfen, sehen zu lernen. Aber hören zu lernen, haben wir kaum Angebote.
Wie versteht die Kulturbehörde ihren Bildungsauftrag?
Der Bildungsauftrag ist größer geworden. Wir müssen im Inneren der Kulturinstitutionen Aufgaben übernehmen, die früher von der Familie, Schule oder Kirche übernommen wurden. Wir müssen auch neue Vermittlungsmodelle anbieten.
Wie wird das Angebot von Frauenkunst nach Abwicklung der Hammoniale kompensiert?
Die jungen Künstlerinnen sind sehr selbstbewußt. Wir haben im Zielbild von Kampnagel, einem Zentrum der neuesten Entwicklungen aller Künste, die Arbeit von Künstlerinnen besonders zu fördern.
In Hamburg steigt die Zahl der Kulturkonsumenten, auch die der Theatergänger – im Gegensatz zu anderen Städten. Worauf ist das zurückzuführen, wozu verpflichtet das?
Die Hamburger Theater sind einfach gut und haben unternehmerisches Bewußtsein: Sie gehen auf ihr Publikum zu und bieten hervorragende Leistungen. Die Meßlatte ist hoch, und es besteht die Pflicht, das Niveau zu halten. Das ist eine Herausforderung, auch für die neuen Intendanten.
Gleich beide großen Sprechbühnen bekommen neue Intendanten. Ulrich Khuon, der das Thalia Theater übernimmt, wünschte sich eine neue Studiobühne – und bekam sie. Hat Tom Stromberg, künftiger Schauspielhaus-Chef, auch Vorschläge?
Er plant eine gemischte Nutzung des TiK, die es auch in die Kunstmeile einbezieht. Das Thalia wird sich aus dem TiK zurückziehen.
Von Einstein stammt der Satz: „Ohne ethische Kultur gibt es keine Rettung für die Menschheit.“
Dazu fällt mir ein, daß es ebenfalls eine wachsende Aufgabe der Kultur ist, Orientierung zu schaffen und Werte zu verlebendigen.
Ist der Sparzwang da ein Handicap?
Er ist eine große Last. Seit 1994 ist es hart, etwas umzusetzen, ohne Zerstörungen anzurichten. Bisher haben wir das gemeistert: Wir haben Veränderungen, aber keine Zerstörungen.
Das Gehalt des Staatsopernintendanten Alboin Hänseroth kann man durch dessen Ausscheiden eine Zeit lang einbehalten. Laufen die Verhandlungen für seine Nachfolge?
Ich will einen Partner für Ingo Metzmacher und Detlef Meierjohann von der Staatsoper finden. Wir müssen uns also zu dritt auf Prioritäten einigen, bevor wir Verhandlungen aufnehmen.
Vor kurzem kursierte eine gefälschte Presseerklärung Ihres Hauses, die sich Sorgen um die Stadtteilkultur machte. Haben Sie sich darüber geärgert?
Das war pfiffig gemacht, aber nicht die Sorte Humor, die ich schätze.
Stimmen Sie Theodor Heuss zu, der behauptete: „Politik kann nie Kultur, Kultur wohl aber Politik bestimmen“?
Kultur ist die Basis einer Gesellschaft, die ihrerseits Politik macht, indem sie ihre Repräsentanten wählt. Politik kann auch Kultur bestimmen: Sie kann ihr den Raum wegnehmen oder die Spielräume schaffen. Nur: Politik kann niemals die Kreativität der Künstler beeinflussen.
live ist die Kultursenatorin heute um 19.30 Uhr bei der von Roger Willemsen moderierten Diskussion „Kommunikation mit Kunst – Kraftquelle für Kreativität und Innovation“ in der Handelskammer, Adolphsplatz 1, zu erleben.
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