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Vom Generalsekretär zum Spitzenkandidaten

■ Joaquin Almunia führt Spaniens Sozialisten jetzt doch in den nächsten Wahlkampf

Totgesagte leben länger. Der Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), Joaquin Almunia, erfährt dies jetzt am eigenen Leib. Der Parteivorstand wird ihn bei den nächsten Wahlen gegen den konservativen Ministerpräsidenten José Maria Aznar ins Rennen schicken. Dies ist eine überraschende Wende in der Karriere des 51jährigen, dem die Parteibasis vor etwas mehr als einem Jahr die Rote Karte gezeigt hatte.

Almunia ging als Favorit in die Basisabstimmung um das Amt als Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen. Dann passierte, was keiner für möglich hielt. Mitstreiter José Borrell, einst Minister für Öffentliche Arbeiten und Transport, gewann haushoch. Almunia galt den Parteimitgliedern als Bewahrer des Alten. Sie wollten aufräumen mit der Korruption unter dem einstigen Partei- und Regierungschef Felipe González.

Dieser hatte Almunia vor zwei Jahren in die Parteispitze gebracht, um auch von seinem Altenteil aus die Kontrolle nicht zu verlieren. Borrells Wahl zum Kandidaten drohte dem einen Strich durch die Rechnung zu machen. Borrell mußte weg. Im Mai war es dann soweit. Der Katalane stürzte über eine Korruptionsaffäre. Zwei seiner engsten Mitarbeiter aus der Zeit, als er der spanischen Steuerbehörde vorstand, hatten sich illegal um mehrere Millionen Mark bereichert. Während Almunia die Konservativen für die Aufdeckung des Skandals verantwortlich machte, vermuten viele inner- und außerhalb der PSOE, daß die Informationsquelle in den Reihen des Parteivorstandes zu suchen ist.

Nach dem Brudermord blieb Almunia, der viele Ämter bekleidete – Arbeitsminister (1982 – 1986), Minister für Verwaltung (1986 – 1991), Parlamentssprecher der Sozialisten (ab 1994) –, der einzige Kandidat. Eine gezielte Erneuerung von unten, ohne daß oben Köpfe rollen, schreibt er sich auf die Fahne. Er wird nicht antreten, um die Wahlen zu gewinnen, sondern um eine absolute Mehrheit der Konservativen zu verhindern. Im Kampf um die politische Mitte setzt er nicht auf den Dritten Weg à la Blair, sondern versucht Bündnisse wie das von Jospin zu schmieden.

Auf lokaler und regionaler Ebene hat er damit Erfolg. Bei den letzten Kommunal- und Regionalwahlen im Juni verlor Aznars Partido Popular zwölf große Städte und mehrere Regionen an die Sozialisten, die es verstanden hatten, breite Koalitionen gegen Rechts anzuführen. Almunia, der es von jeher verstand, im stillen zu arbeiten, hält sich auch dieser Tage mit öffentlichen Äußerungen zurück und ließ die Barone der Partei für sich arbeiten. In einem Interview, das er vor seiner Ernennung zum PSOE-Kandidaten gab, versuchte Almunia genau diese Seilschaften herunterzuspielen: „Ich werde keine Befehle von González akzeptieren“, beteuerte er eine Unabhängigkeit, die er nie besessen hat.

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