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Milliarden für Risikoanlagen

Die Atomwirtschaft gehört zu den am meisten geförderten Branchen. Auf den Listen zum Subventionsabbau taucht sie jedoch kein einziges Mal auf  ■   Von Beate Willms

Berlin (taz) – Nachdem der Vertrag unterschrieben war, hatten sich die Direktoren in der Verwaltung des Berliner Abgeordnetenhauses die Hände gerieben. Angeblich um die Hälfte billiger soll die Stromrechnung künftig ausfallen, der Preis für die Kilowattstunde dürfte sich irgendwo um die 10 bis 13 Pfennig bewegen – und das, obwohl die baden-württembergische ENBW, die den Zuschlag bekam, mehr als die Hälfte ihres Stroms in Atomkraftwerken produziert. Und Atomstrom, das hat das Prognos Institut schon vor Jahren ausgerechnet, müßte eigentlich zwischen 3,60 und 4 Mark kosten, wenn die Erzeuger alle Folgekosten der Produktion selbst zu bezahlen hätten und kostendekkend arbeiten wollten. „Das funktioniert nur, weil die Atomenergie zu den am höchsten subventionierten Bereichen gehört“, so Wolfgang Irrek vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. In den Diskussionsbeiträgen der großen Wirtschaftsforschungsinstitute zum Subventionsabbau taucht sie allerdings nicht auf.

„Das meiste Geld ist natürlich schon geflossen“, so Greenpeace-Atomexperte Veit Bürger: Rund 42 Milliarden Mark hat die Bundesregierung bis heute direkt für Kernspaltung und Kernfusion ausgegeben. Hinzu kommen die direkten Zuschüsse für Anlagen. Allein die gescheiterten Projekte Schneller Brüter in Kalkar, THTR (Hochtemperatur-Reaktor) in Hamm-Uentrop, Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf, Nukem oder die MOX-Brennelemente und das AKW Mülheim-Kärlich haben nach den Informationen des Wuppertal Instituts 17,7 Milliarden Mark verschlungen. Weitere 30 Milliarden Mark gingen bis jetzt für die Beseitigung der Überreste der DDR-Atomwirtschaft drauf: vor allem für die AKW-Ruine in Greifswald und das Wismut-Uran-Loch. Auch die Sicherung, Konservierung und Verglasung der Reaktorsuppe im Forschungsreaktor Karlsruhe für mindestens sechs Jahre kostete die Staatskassen rund 1 Milliarde Mark.

„Je länger man sucht, desto mehr findet man“, sagt Jürgen Maier von Forum Umwelt und Entwicklung des Deutschen Naturschutzring. Nur ein Beispiel: 1,75 Milliarden Mark habe der Freistaat Bayern seit 1971 für die Umleitung von Donauwasser ins Maingebiet ausgegeben – nur damit ein AKW und zwei Kohlekraftwerke Kühlwasser haben.

Und selbst unter der rot-grünen Regierung geht die Förderung munter weiter. Rund 100 Millionen Mark jährlich veranschlagt der Haushaltsplanfür Atomforschung. „Das kann man nicht einfach so auf Null setzen, weil es zum Teil langfristige Verpflichtungen gibt“, heißt es im Büro der umweltpolitischen Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt.

Gleiches gilt für die laufenden Kosten. Rund 4 Milliarden hat die Erkundung des Endlagers Gorleben und des Schachts Konrad bis jetzt gefordert. Und auch die Castortransporte kommen nicht ganz billig. Die Kosten der polizeilichen Begleitung und Einsätze müssen zum Großteil aus den Landeskassen bezahlt werden. Bei den bisher erfolgten vier Transporten waren das insgesamt 256 Millionen Mark. Wenn die bis zum Jahr 2003 geplanten 15 bis 16 weiteren Rückführungen von La Hague nach Gorleben und die Fahrten ins Zwischenlager Ahaus ähnlich teuer werden, kommen nach Bürgers Berechnungen rund 20 Milliarden Mark zusammen.

Auch bei der Suche nach steuerlichen Begünstigungen wird man fündig: Rund 70 Milliarden Mark haben die Atomkonzerne bislang für die spätere Entsorgung rückstellen dürfen. Steuerfrei. Das spart sie jährlich rund 35 Milliarden Mark. Die steuerfreie Rückstellung selbst hält Irrek allerdings nicht für das Problem. Das Geld stammt von den Stromkunden, die pro Kilowattstunde 1,2 bis 1,6 Pfennig für spätere Entsorgungskosten zahlen müssen. „Es ist richtig, die Verbraucher zu beteiligen“, so Irrek. Allerdings haben die Rückstellungen längst eine Dimension erreicht, als müßten die Konzerne morgen schon entsorgen. Die Zinsen, die sie dadurch sparen, haben inzwischen ebenfalls immense Beträge erreicht. Ex-Finanzminister Theo Waigel (CSU), der die möglichen Mehreinnahmen für die Staatskasse vor wenigen Jahren ausrechnen ließ, kam auf rund 6 Milliarden Mark. Und das steuerfreie Geld selbst nutzen sie zum Einkauf vor allem in der Telekommunikation und in der mittelständischen Entsorgungswirtschaft. „Risikoanlagen“, nennt Bürger das: Erstens wäre das Geld nun nicht sofort verfügbar, wenn es doch plötzlich gebraucht würde. Und außerdem könnten die Geschäfte auch danebengehen. „Wer garantiert denn, daß es RWE und HEW und alle anderen in 20, 30 Jahren noch gibt?“ Greenpeace will die Rückstellungen deshalb der Verfügungsgewalt der Konzerne entziehen und in einen Fonds überführen.

Und auch den Ernstfall subventioniert der Staat noch. Die Atomkonzerne müssen sich lediglich für eine Versicherungsleistung von knapp einer halben Milliarde Mark versichern. Im neuen Atomgesetz, mit dem Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) bislang auf wenig Gegenliebe gestoßen ist, sollte sie auf 5 Milliarden Mark erhöht werden. Was bei einem GAU darüber hinausginge, hätte dann der Fiskus zu tragen. Ein Unfall entsprechend dem in Tschernobyl, so Bürger, wo Folgekosten von rund 500 Milliarden Mark entstanden, könnte in Deutschland für einen Schaden von rund 12.000 Milliarden Mark sorgen.

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