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Raucher kämpft gegen Krebs und Philip Morris

■ Dietrich Kühn will 100.000 Mark von Zigarettenfirmen, weil sie ihn nicht gewarnt haben, daß Rauchen süchtig macht. Auch deutsche Krankenkassen wollen vor Gericht ziehen.

Berlin (taz) – Seine Sucht hat ihm den Krebs gebracht. Eigentlich ist Dietrich Kühn aus Neuenrade mit seinen 54 Jahren noch zu jung dafür. Aber seit 20 Jahren saugt er am Glimmstengel. Das hat ihm die Gesundheit ruiniert. Aufhören wollte er schon oft, geschafft hat er es nie. Jetzt will er sich wehren – gegen den Lungenkrebs, der ihm seit einem Jahr das Leben schwer macht, und gegen die Tabakindustrie.

Motiviert von den Erfolgen der Tabakgegner in den USA, hat Kühn jetzt als erster Klage gegen zwei Tabakkonzerne vor einem deutschen Gericht erhoben: 100.000 Mark Schadenersatz will er. Den deutschen Töchtern von Philip Morris und Reynold Tobacco wirft er vor, über Jahrzehnte hinweg die Gefahren des Rauchens verschwiegen zu haben. Kühn habe zwar gewußt, daß Zigaretten krank machen, nicht aber, daß sie süchtig machende Stoffe wie Acetaldehyd enthielten, erklärt sein Anwalt Burkhard Oexmann, ein Medizinrechtler. Oexmann will deshalb Einsicht in die Produktakten nehmen. Er vermutet, daß die Zigaretten zum Teil „absichtlich mit suchtsteigernden Wirkstoffen“ versetzt wurden, um Raucher bei der Stange zu halten. Seiner Meinung haben die Zigarettenhersteller fehlerhafte Produkte verkauft und damit die Gesundheit von Millionen Menschen „aktiv geschädigt“.

100.000 Mark Schmerzensgeld, das ist nicht viel, wenn man das mit den Summen vergleicht, die US-amerikanische Tabakkonzerne zahlen sollen. Erst in der vergangenen Woche verloren Tabakkonzerne im US-Bundesstaat Florida eine Sammelklage von 500.000 Raucherkranken und Hinterbliebenen. Das Gericht erklärte, Rauchen führe zu Lungenkrebs und die Tabakindustrie habe es unterlassen, die Öffentlichkeit davor zu warnen. Die Kläger haben die Schadenssumme auf 960 Milliarden Dollar beziffert. Vor drei Jahren hat sich die Tabakindustrie mit 40 anderen Bundesstaaten geeinigt, über 25 Jahre 368,5 Milliarden Dollar an die Opfer des blauen Dunstes zu zahlen, um solche Sammelklagen zu verhindern.

Philip Morris hat inzwischen jeden Vorwurf zurückgewiesen. Man stelle ausschließlich „Qualitätszigaretten“ her, die mit dem deutschen Lebensmittelrecht übereinstimmten. Ein Sprecher des Bundesverbandes der Zigarettenindustrie sieht der Klage ebenfalls gelassen entgegen. „Die Rechtslage in Europa und und Deutschland ist so eindeutig, daß für uns keine Gefahr besteht.“ Es solle keiner erzählen, er habe nicht gewußt, daß es schwer sei, mit dem Rauchen aufzuhören.

Die Industrie sollte die Klage vielleicht ernster nehmen, denn auch zwei deutsche Krankenkassen prüfen derzeit die Möglichkeit einer Klage. Die Wuppertaler Barmer-Ersatzkasse wartet nur noch die Entscheidung in einem Verfahren zweier US-Krankenversicherer gegen die Tabakindustrie ab. Sollten die Kassen „Blue Shield“ und „Blue Cross“ gewinnen, dann will die Barmer möglicherweise selbst in den USA klagen.

Wie sehr Raucherkrankheiten die Kassen belasten, läßt sich nicht genau beziffern; da steht das Datenschutzgesetz vor. Bekannt ist aber die Zahl der Todesfälle, die aufs Rauchen zurückzuführen sind. Rund 100.000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an durch Zigarettenrauch verursachtem Lungenkrebs, Durchblutungserkrankungen oder schwerer Bronchitis. Thorsten Denkler

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