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Aufstand gegen die „bösen Eltern“

■ Im serbischen Provinzstädtchen Valjevo versuchen wütende Milosevic-Gegner, die Macht in der Stadt zu übernehmen

Valjevo ist ein Provinzstädtchen, knapp 100 Kilometer südwestlich von Belgrad. Bis zum Krieg lebte die Mehrzahl der Bürger von der Rüstungsindustrie, der Rest von der Landwirtschaft in den umliegenden Dörfern. Die Arbeiterschaft der Stadt stand lange hinter den vermeintlichen Sozialisten und ihrem Führer, Slobodan Miloševic. Sogar als die meisten serbischen Städte vor fast drei Jahren die Opposition in die Rathäuser wählten, bekannte sich Valjevo geschlossen zum Regime.

Das hat sich nach den Bombardements der Nato und dem Verlust des Kosovo schlagartig geändert. Die Rüstungsgüterfabrik „Krusik“ ist zerstört worden, dadurch stehen heute viele Familien mittellos da. Trotzdem dachten die oppositionellen Parteien und Bewegungen gar nicht daran, in Valjevo Proteste gegen die Regierung anzuzetteln. Am Montag kam es dann aber spontan zu der bisher heftigsten Demonstration mit den ersten verletzten Polizisten und blutenden Demonstranten.

Aufgerufen zum Protest hatte der Maler Bogoljub Arsenijevic, genannt Maki, bisher parteilos und eher apolitisch. Von Slobodan Miloševic und seiner Frau sagte er: „Serbien hat nie bösere Eltern gehabt!“ Nicht nach Den Haag möchte er den Präsidenten ausliefern, wie es Plakate in Valjevo forderten; er will ihnen im Lande den Prozeß machen und sie sogar richten: „Er soll so tot sein, daß man toter gar nicht sein kann“, so Maki.

Es folgte ein Sturmangriff auf das Rathaus. Dort versuchte die Menge einzudringen, um die „Macht in der Stadt zu übernehmen“. Erst jetzt griff die Polizei ein. Sie stellte sich vor den Eingang und verteidigte sich mit Gummiknüppeln. Den Haupteingang konnte sie halten, durch zerbrochene Fenster drang die Masse trotzdem von hinten in das Haus ein und wurde erst später wieder hinausbefördert. Die Polizei hatte offenbar Befehl, keinen Gebrauch von der Schußwaffe zu machten, nicht einmal Wasserwerfer oder Tränengas wurden eingesetzt. Bei dem Handgemenge wurden schließlich drei Polizisten und fünf Demonstranten verletzt.

Arsenijevic, der weder dem Regime noch den Oppositionsparteien traut, rief zum „Befreiungsaufstand in Serbien“ auf. Arsenijevic und seine Freunde sind nicht nur gegen Miloševic und seine Partner, sondern schlicht gegen alle politischen Parteien. Im Grunde genommen sind sie nur gegen etwas, nämlich gegen das Regime. Für was sie sind, bleibt unklar.

Der Aufstand in Valjevo, wo man mit Steinen gegen ein Symbol des Regimes, das Rathaus, vorging, zeigt, wie gefährlich Verzweiflung und spontaner Zorn für Serbien werden können.

Andrej Ivanji

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