: Blutwäsche und Brötchen statt Pharmaka
■ Neuordnung im Dax: Das Dialyseunternehmen Fresenius steigt in die Liga der 30 wichtigsten Unternehmen auf. Die Bäckereigesellschaft Kamps rückt in den MDax nach
Berlin (taz) – „Das sind doch endlich einmal Werte, die mit dem wirklichen Leben zu tun haben“, mag so mancher gedacht haben, als der Vorstand der Deutschen Börsen AG am Dienstag abend die neuen Dax-Mitglieder bekanntgab: In die erste Liga der 30 wichtigsten börsennotierten deutschen Unternehmen aufsteigen wird die Bad Homburger Fresenius Medical Care AG (FMC), Weltmarktführerin bei Dialyseprodukten. Und deren Platz in der zweiten Liga, dem MDax, der 70 weitere Aktiengesellschaften umfaßt, soll die Düsseldorfer Kamps AG einnehmen, Deutschlands einziges Bäkkereiunternehmen an der Börse.
Die Veränderung wird die Aktien der beiden Neulinge steigen lassen, weil sich die Investoren der Zusammensetzung des Dax anpassen und ihre Portfolios nun um Fresenius- und Kamps-Anteile erweitern werden. Sie war nötig geworden, weil das bisherige Dax-Unternehmen Hoechst AG mit dem französischen Konkurrenten Rhone-Poulenc zur Aventis AG fusioniert, die ihren Sitz in Straßburg haben wird und so kein deutsches Unternehmen mehr ist.
FMC war erst vor drei Jahren nach einer Teilfusion der deutschen Fresenius AG mit der US-amerikanischen National Medical Care entstanden. Intern setzt das Management auf „unternehmerisches Denken der Beschäftigten“. Aktienoptionen sollen die Identifikation mit dem Betrieb vorantreiben. Und: Ökonomen halten die Dialysetechnik für einen Riesenwachstumsbereich. Allein durch den immer höheren Altersdurchschnitt in der Bevölkerung werde der Bedarf nach Blutwäschegeräten und begleitenden Dienstleistungen steigen.
Ausschlaggebend für die Aufnahme in den Dax sind jedoch andere Kriterien: So muß jedes Unternehmen beim Börsenumsatz und beim Unternehmenswert zu den größten 35 Aktiengesellschaften in Deutschland gehören. Beim Umsatz schafft FMC das mit rund 515 Millionen Euro knapp. Um bei der Marktkapitalisierung aber auf einen ähnlich guten Wert zu kommen, mußte die Mutterfirma Fresenius AG eingreifen und ihre Anteile – immerhin 50,3 Prozent – an die Börse bringen. Damit verdoppelt sich der Unternehmenswert schlagartig, FMC klettert vom 48. auf den 34. Rang.
Weil dieser Börsengang erst Ende August abgeschlossen ist, monieren Analysten, daß die Dax-Aufnahme, für die die Werte vom 30. Juni entscheidend sind, formal nicht korrekt sei. Da jedoch die Alternativen Continental AG und Ergo das Gewicht der Automobilindustrie und Versicherungen im Dax über Gebühr verstärkt hätten und eine „gute Branchenmischung“ ebenfalls ein wichtiges Argument sei, sei die Wahl von Fresenius „ein guter Kompromiß“.
Die Kamps AG, die in den MDax nachrücken wird, hat ihren Höhenflug der ewigen Lust der Deutschen auf frische Brötchen und einer aggressiven Einkaufsstrategie zu verdanken. Allein seit dem Börsengang im April 1998 hat das Unternehmen rund 640 Geschäfte dazugekauft, darunter ganze Bäckereiketten wie Ostrowski oder die niederländische Bakker Bard Food Group. Parallel dazu verfünffachte sich der Aktienkurs auf 43 Euro, so daß Kamps nun beim Umsatz Platz 59 und beim Börsenwert Platz 66 belegt – für den MDax reicht ein Platz unter den ersten 110. Beate Willms
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