Kommentar: Fast schon pervers
■ Warum die Einzelhändler zu immer dreisteren Methoden greifen
Hamburgs Einzelhändler werden immer frecher. Auf ein läppisches Tarifverlangen der Gewerkschaft nach 200 Mark mehr Lohn, reagieren die Einzelhändler mit der Gegenforderung, den Verkäufern und Kassiererinnen durch Strukturveränderungen bis 800 Mark zu klauen. Dabei muß man wissen, daß eine junge Verkäuferin in ihrem Beruf mal gerade mit 1.500 Mark nach Hause geht.
Nun haben sich einige Unternehmen wieder etwas Neues einfallen lassen. Die ganztägige Videoüberwachung der MitarbeiterInnen am Verkaufstresen fernab durch die Zentrale. Was vor 30 Jahren in der Satire-Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“ noch als Schwarzer Humor beschmunzelt wurde, machen sich ein paar Handelsunternehmen vor der Jahrtausendwende nun zu eigen.
Auch die Idee, Beschäftigte nach der zweiten Krankschreibung einer schriftlichen Befragung zu unterziehen, um ihre Krankheit zu erforschen, ist nicht nur rechtswidrig, sondern schon fast pervers. Was kommt als nächstes? Die vorherige betriebsärztliche Untersuchung, wenn frau mal wegen ihrer Regel einen Tag zu Hause bleibt? Der Uniformzwang a la China? Oder der Cheerleader-Auftritt zu Arbeitsbeginn?
Aufgrund der derzeitigen Verweigerungshaltung der Arbeitgeber herrscht im Hamburger Einzelhandel im Moment tarifloser Zustand. Würde es sich bei den Herren in den Chefetagen nicht um Kapitalisten handeln, könnte man bei diesen neuesten Eskapaden zur Auffassung kommen, die Manager hätten eine Schwäche für Anarchie und Chaos. Magda Schneider
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