■ Weißrußlands Lukaschenko läßt wieder verhaften: Halbherziger Protest
Im Juni vergangenen Jahres ließ Weißrußlands Staatspräsident Alexander Lukaschenko mehreren westlichen Diplomaten ihre Stühle vor die Botschaftstüren setzen. Es hagelte Proteste. Dann wurden die Botschafter zurückgerufen. So gesehen ist es bereits ein Fortschritt, daß es diesmal keines derartigen Affronts bedurfte, um im Westen kritische Reaktionen zu provozieren. Doch die Ankündigung der USA, Weißrußland zwar nicht politisch zu boykottieren, aber doch den Präsidenten jetzt, nach Ablauf seiner regulären Amtszeit, nicht mehr anzuerkennen, bleibt halbherzig. Schließlich geht es nicht darum, daß Lukaschenko sich auf eine zweifelhafte Legitimation stützt: Beim Volksentscheid, mit dem der Präsident sich vor zwei Jahren seine Amtszeit verlängert hatte, hatte seine Polizei die Wähler mit Schlagstöcken an die Urnen getrieben.
Viel schwerer wiegt, daß der Name Lukaschenko stellvertretend für Menschenrechtsverletzungen steht, die in den ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas ihresgleichen suchen. Kritiker werden nach wie vor zusammengeschlagen, mit Geldstrafen belegt und eingekerkert – egal, ob es sich um Journalisten handelt, die für Meinungsfreiheit kämpfen, oder Eltern, die sich für den Erhalt des weißrussisch-sprachigen Gymnasiums in Minsk einsetzen. Die Opposition kämpft weiter – und das auf verlorenem Posten. Daran ändert die Kritik aus dem Ausland bislang sowenig wie das Bemühen der OSZE, zwischen der Regierung und ihren Gegnern vermitteln zu wollen. Die Organisation wäre gut beraten, der angeblichen Kompromißbereitschaft Lukaschenkos, OSZE-moderierten Parlamentswahlen im kommenden Jahr zuzustimmen, mit Skepsis zu begegnen. Es grenzte an ein Wunder, sollte sich der Präsident plötzlich auf demokratische Verfahren einlassen und seine Macht zur Disposition stellen. Anschauungsunterricht, wie mit mißliebigen Personen zu verfahren ist, hat Lukaschenko ja erst vor zwei Tagen wieder erteilen lassen.
Zudem könnte das Regime des weißrussischen Diktators noch unschöne Außenwirkungen entfalten. Derzeit setzt Lukaschenko alles daran, die Vereinigung mit Rußland voranzutreiben. Noch gibt es in Moskau genügend Kräfte, die der Umarmung des Bruders aus Minsk reserviert gegenüberstehen. Doch das könnte sich nach den nächsten russischen Parlaments- und Präsidentenwahlen, bei denen Slawophile wie Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow kandidieren, ganz schnell ändern. Barbara Oertel
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