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Russland korrigiert seine Serbien-Politik

Der Besuch des montenegrinischen Präsidenten Djukanovic in Moskau zeigt, dass die russische Führung nicht mehr allein auf Milosevic setzt. Doch viele Köche wirken in der Außenpolitik mit  ■   Aus Moskau Klaus-Helge Donath

„Ich bin fest davon überzeugt, Moskau versteht unsere Position und unterstützt unsere Bemühungen beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft“, meinte der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic bei seinem ersten offiziellen Besuch in der russischen Hauptstadt zu Wochenbeginn. In der Tat gaben sich russische Politiker große Mühe, dem mächtigsten Gegenspieler Slobodan Miloševic' seine Aufwartung zu machen und Nähe zu demonstrieren.

Nach Gesprächen mit Außenminister Igor Iwanow, der den Regierungschef der jugoslawischen Teilrepublik kurzfristig zu einer Visite eingeladen hatte, traf Djukanovic auch mit Premierminister Sergej Stepaschin und dem Regierenden Bürgermeister Moskaus, Jurij Luschkow, zusammen. Kein jugoslawischer Oppositionspolitiker war in den letzten Jahren in Russland auf ähnlich hoher Ebene empfangen worden. Vielmehr hielt der Kreml wider besseres Wissen und trotz drohender Gefahr, international weiter in die Isolation zu geraten, an Miloševic als einzigem legitimen Vertreter Jugoslawiens fest.

Offenkundig hat der Kreml begriffen, dass sich das Regime Miloševic nicht mehr lange in Belgrad halten kann und der 37jährige Djukanovic viel versprechende Chancen hat, die Nachfolge des Diktators anzutreten. Um die unter größten Mühen im Kosovo-Konflikt aufrechterhaltene russische Position auf dem Balkan nicht wieder zu verspielen, gebietet es die Vernunft, sich mit dem Prätendenten bereits im Vorfeld gut zu stellen. Die historischen Bande zwischen dem russischen Zarenreich und den Serben des orthodoxen Königreiches Montenegro waren bis zum Ausbruck des Ersten Weltkrieges weitaus enger als die konfliktreichen Beziehungen St. Petersburgs zu Belgrad.

Bereits in der vergangenen Woche hatte sich die vorsichtige Kurskorrektur in der russischen Jugoslawien-Politik abgezeichnet. Während seiner USA-Reise bekannte Premier Stepaschin, er hege „keine Sympathien“ für Miloševic und „sein Regime“.

Hat Russland seine Position tatsächlich grundlegend revidiert? Eine endgültige Antwort wäre verfrüht. Zu viele Köche wirken in der russischen Außenpolitik mit. Die Militärs, die das Husarenstückchen von Priština eingefädelt haben, werden den Kurswechsel keineswegs protestlos hinnehmen. Zumal die serbischen Generäle inzwischen den Russen Verrat an der gemeinsamen Sache vorwerfen. Während Djukanovic' Besuch verteilte denn auch der Kremlchef Boris Jelzin demonstrativ Orden und Lametta an die „Helden von Priština“, die der Nato mit der Besetzung des Flughafens Sand ins Getriebe gestreut hatten. Auch Außenminister Iwanow und Stepaschin enthielten sich in der Öffentlichkeit jeglichen Kommentars, der in Belgrad als eine eindeutige Parteinahme hätte gewertet werden können. Dass die jugoslawische Botschaft in Moskau gegen die Visite protestierte, ohne die Russen aus der Ruhe zu bringen, weist zumindest auf eins hin: Russland will sich aus der Rolle der Belgrader Geisel befreien. Für den Kommersant steht es indes schon fest: Russlands Teilnahme am Gipfel in Sarajevo markierte einen „radikalen Schwenk“ in der russischen Außenpolitik.

Jelzin verteilt Orden und Lametta an die „Helden von Pristina“, die der Nato mit der Besetzung des Flughafens Sand ins Getriebe gestreut haben

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