: Bremen: Keine Wasser-Selbstständigkeit
■ Die Pläne für eine Wassergewinnung aus dem Werdersee scheinen geplatzt, nachdem die große Koalition offenbar an gleicher Stelle lieber schnelle Gewinne durch Grundstücksverkäufe macht
Ein lapidarer Satz im Koalitionsvertrag macht die Hoffnungen zunichte, dass in der Zukunft wieder ein Drittel des Bremer Wasserbedarfs durch eine Filteranlage am Werdersee gedeckt werden könnte: „Die Trinkwassergewinnung aus der Weser wird als Option weiterhin verfolgt“, steht da lapidar. Wichtig ist, was nicht da steht: Die große Koalition und die swb AG setzen auf schnelle Gewinne. Deswegen soll der Ort, der für die Wassergewinnung am geeignetsten erscheint – der Stadtwerder neben der umgedrehten Kommode – mit teuren „Stadtvillen“ bebaut werden. „Innenstadtnahe hochwertige Mischnutzung von Wohnen und Dienstleistungen“ heißt das im Koalitionsvertrag. Für Wasseranlagen wäre dann wohl kein Platz mehr.
Ein Jahr lang, zwischen Mai 1998 und 1999, testeten die ehemaligen Stadtwerke (heute swb) vor Ort, ob das überhaupt geht: Wasser aus dem Werdersee nehmen, bodenfiltern, aufbereiten. Die Bedingungen scheinen günstig: Bei Havarien auf oder Verschmutzungen in der Weser kann der Zugang zu dem See einfach dichtgemacht werden. Kein Motorsport auf dem See. Tidenunabhängig. Wenig Schwebstoffe. Und die Infrastruktur ist an der umgedrehten Kommode auch schon da: In den unterirdischen Leitungen kommt hier das gesamte Wasser aus dem Umland an, das von Niedersachsen gekauft wird. Rund 85 Prozent des Wassers sind das. Nur 15 Prozent werden in Bremen selbst gewonnen, im Grundwasserwerk Blumenthal. Mit Werdersee-Wasser könnte man ein Drittel des Wasserverbrauchs decken, wird geschätzt.
Der Versuch ist abgeschlossen, wissenschaftliche Ergebnisse sollen bis Ende des Jahres vorliegen. Doch die Politik hat inzwischen Fakten geschaffen. Die beiden Fraktionschefs von CDU und SPD ließen sich auf dem Dach der Kommode ablichten. Und verkündeten ihre noch recht unkonkrete Vision der Bebauung. Luxuriös soll es werden. Vernetzung soll geschehen. Damit die Menschen in Bremen bleiben.
Eine Vermutung macht schon seit einem Jahr die Runde und wird nie dementiert: Dass die Stadtwerke eigentlich nie daran interessiert waren, das Weserwasser zu trinken. Dass der 1,5 Millionen Mark teure Modellversuch nur eine Finte war, um den drei niedersächsischen Wasserlieferanten klar zu machen: Wenn ihr mit euren Wasserpreisen hochgeht, dann trinken wir eben wieder unser eigenes hanseatisches Wasser. Gerade erst wurden neue Verträge mit dem Oldenburg-Ostfriesischen Wasserverband ausgehandelt, der rund 17 Prozent des Bremer Wassers liefert.
Naheliegend auch Vermutung Nummer zwei: Nachdem die Stadtwerke privatisiert wurden, wird mehr auf kurzfristige Gewinne geschaut und weniger auf irgendwelche umweltpolitischen oder gar gesellschaftlichen Langzeitverpflichtungen. Und wenn man auf dem Stadtwerder Häusle baut, dann fließt der Cash. Was auch dem chronisch klammen Land zu Gute kommt. Umweltsenatorin Tine Wischer (SPD) übrigens ist Aufsichtsratsvorsitzende der swb. Die Behörde tut jetzt so, als ob sie nach einem Ersatzstandort für die Wassergewinnung aus der Weser fahndet.
Naturschützer wie Michael Abendroth vom BUND haben nicht ganz aufgegeben: „Das Thema ist noch nicht so abgefrühstückt, wie manche Menschen glauben mögen.“ Die Klausel im Koalitionsvertrag, wonach die Option „Wasser aus der Weser“ weiterverfolgt werden soll, ist in seinen Augen nur eine „Beruhigungspille“. Er ist überzeugt: Einen besseren Standort als den Werdersee wird man auch nach längerer Suche nicht finden. Unklar scheint auch noch, ob man auf die Leitungen der bereits exis-tierenden Wasserverteilungszentrale einfach Häuser bauen kann – weil die Techniker dann nicht mehr ohne weiteres an die Rohre und Bassins unter Tage herankommen.
Stärker noch aber wiegt für den BUND, dass hier ein „Nachhaltigkeitsprojekt ersten Ranges“ beerdigt werden soll. Ausgerechnet in der Neustadt übrigens, die sich „Modellstadtteil der Agenda 21 für nachhaltige Entwicklung“ schimpfen darf. „Die Chancen, die der Fluss uns bietet, sollten nicht verspielt werden“, sagt Abendroth.
Und die Chance sei derzeit besser denn je, argumentieren die Naturschützer. Denn das Weserwasser ist so sauber wie schon 60 Jahre nicht, seitdem die Salzbelastung durch den thüringischen Kalibergbau um zwei Drittel reduziert wurde. Und mit dem Wasser aus Niedersachsen stünde auch nicht alles zum Besten: Die Belastung mit Nitraten wird steigen, prognostiziert der BUND, und beruft sich dabei auf Angaben der Wasserförderer. Dem gegenüber steht die natürliche Filterung im Werdersee: Bis zu 100 Jahre lang könne man dort die Grundwasserleiter als Filter nutzen, will der BUND inoffiziell von den Stadtwerken erfahren haben. Und nicht zuletzt: Wenn irgendwo angefangen wird, Wasser aus der Weser zum Trinken zu nehmen, wächst der Druck, auf eine langfristige Reinhaltung des Gewässers zu achten. Christoph Dowe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen