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Herrlich für den Doktor

Wussten Sie, dass Pinguine Malaria bekommen können? Dr. Walter Tscherner, Parasitologe im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, kann es erklären: „Malariaparasiten kommen auch bei unseren einheimischen Spatzen vor, und auf unserem 150 Hektar großen Gelände wimmelt es von Spatzen. Wenn ein Pinguin von einer Malariamücke gestochen wird, kann er daran sterben. Zum Glück hatten wir das hier schon seit Jahren nicht mehr.“

Wussten Sie, dass es Würmer gibt, die die Idee des antiken Philosophen Platon von der ursprünglichen körperlichen Einheit der beiden Geschlechter in die Tat umgesetzt haben? „Männchen und Weibchen des Luftröhrenwurms sind so miteinander verwachsen“, berichtet Tscherner, „dass sie eine Gabel bilden. Deswegen werden sie auch Roter Gabelwurm genannt.“ Für mindestens 150 Vogelarten aber sei diese Spielart platonischer Liebe nicht so angenehm. „Die Gabelwürmer nisten sich bevorzugt bei Jungtieren in der Luftröhre ein und legen dort ihre Eier ab, die die Küken dann aushusten.“

Im letzten Jahr waren es die Präriehühner des Tierparks, die den Tierbetreuern auffielen, weil sie bei weit aufgesperrtem Schnabel japsend atmeten. Eine Kotuntersuchung bestätigte Tscherners Vermutung: Gabelwurmbefall. „Vier, fünf Würmer reichen schon, um eine Luftröhre zu verstopfen“, sagt er. Nach einer ordentlichen Wurmbehandlung konnten die Hühnchen wieder aufatmen.

Wussten Sie, dass man Waldpilze und Waldbeeren vor dem Verzehr gründlich waschen sollte? Manchmal befinden sich darin tierische Beigaben, die nicht nur Vegetarier meiden sollten. „Die Eier des Fuchsbandwurmes sind winzig, die Bandwurmlarve aber wird riesig und durchwuchert zum Beispiel menschliche Lebergewebe wie Krebs“, berichtet der Parasitologe. So etwas ende meistens tödlich, für den Befallenen wie für den Parasiten. Denn der Mensch sei für den Fuchsbandwurm der falsche Zwischenwirt, der Lebenszyklus dieses Parasiten sehe für diese Rolle eigentlich die Maus vor.

Walter Tscherner, 59-jähriger Doktor der Biologie, Kurator für Parasitologie und für Bären, weiß sehr viel. Und da er ein freundlicher und redefreudiger Mann ist, wissen auch diejenigen, die sich für seine Arbeit interessieren, ziemlich schnell ziemlich viel. Sie wissen dann, dass er seit bald dreißig Jahren die insgesamt fast zehntausend Tiere von Deutschlands größtem Zoo routinemäßig auf Parasitenbefall untersucht. Die wenig gefährdeten Rinder ungefähr einmal im Jahr, die wurmbedrohten Fasane etwa alle vier Wochen. Dass er die Därme verstorbener Tiere durchforstet, „Stück für Stück“, um in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zoo- und Wildtierforschung die Todesursache herauszubekommen. Dass Tscherner zudem, in Kooperation mit den Tierärzten, für die Diagnose akuter Krankheiten zuständig ist.

Zwischendurch stellt ihm einer der Tierpfleger schnell mal ein Pröbchen Flusspferdkot auf den Labortisch – das Tier habe heute so einen komischen Eindruck auf ihn gemacht. Doch das sind nur die Äußerlichkeiten. Das Besondere an der Person des Walter Tscherner ist die Leidenschaft, die er für seine Arbeit empfindet. Bandwürmer, Hakenwürmer, Blutegel, Flöhe, Milben und Zecken, lernen seine Besucher, sind keine ekligen Schmarotzer, sondern notwendige Bestandteile des biologischen Gleichgewichts, Gebilde von prekärer, filigraner Schönheit, die vom wunderbaren Einfallsreichtum der Evolution zeugen.

Wenn er über den komplizierten Zyklus des Leberegels spricht, gerät der Doktor geradezu ins Schwärmen. Dieser Saugwurm, der sich in der Leber von Rehen oder Schafen einniste und dort seine Eier ablege, sei gleich auf mehrere Zwischenwirte angewiesen. Die mit dem Kot der Rehe ausgeschiedenen Eier würden von Schnecken aufgenommen, die Larven würden durch die Atemöffnung wieder ausgestoßen und von Ameisen gefressen. Befallene Ameisen erkenne man an einer auffälligen, durch Larven im Gehirn verursachten Verhaltensänderung: „Sie klammern sich wie verrückt an den Spitzen von Grashalmen fest.“

Wenn er von irgendwoher neue, ihm noch nicht genauer bekannte Arten unters Mikroskop kriegt, ist für Tscherner ein Freudentag angebrochen. Neulich habe er ein paar Pandaparasiten bekommen, der Panda im Zoologischen Garten habe eine Wurmbehandlung verabreicht bekommen. Mit dem Zoo „drüben“ gibt es auf vielen Ebenen eine partnerschaftliche Kooperation. Konkurrenzgefühle? Ach was. In einer Großstadt wie Berlin können auch zwei Tiergärten überleben, der Tierpark im Osten und der Zoo im Westen Berlins, beide haben ihre Eigenheiten und ihr Stammpublikum. Und die Pandawürmer, „das sind so die Highlights eines Parasitologen“.

Und wenn er eine Tierleiche in seinem kleinen Labor untersuchen kann, inmitten von Mikroskopen, Proben, Lösungen und Einmachgläsern voller Spulwürmer, fühlt er manchmal geradezu Begeisterung. Neulich, sagt er, habe er doch eine Amsel gefunden, die gleich von mehreren Parasiten befallen gewesen sei, von Luftröhren-, Band- und Fadenwürmern: „Nicht gut für die Amsel, aber herrlich für einen Parasitologen.“ Bei seiner Arbeit dürfte positives Denken keine Rolle spielen, der Doktor muss schließlich weder Manager schulen noch Neurosen kurieren. Aber was tut er anderes den lieben langen Tag, als gewisse Unbilden des tierischen Lebens zu seiner Freude zu machen?

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