piwik no script img

Streit um Bodenschätze

■ Im Kosovo liegt Serbiens größte Blei-und Zinkmine brach

Kosovska Mitrovica (AFP) – Wie verlassen liegt die riesige Industrieanlage in einem Vorort von Kosovska Mitrovica da, Förderbänder und Maschinen rosten vor sich hin, die Fensterscheiben der Werkshallen sind zerbrochen – Spuren des Krieges. Nichts erinnert mehr daran, dass in dem Komplex im Norden der Provinz einst eine der größten Blei- und Zinkminen Europas betrieben wurde. Die Zukunft der Anlage, die rund drei Viertel der serbischen Bodenschätze birgt und deshalb als „Kronjuwel“ gehandelt wird, ist ungewiss. Der UN-Verwalter für das nördliche Kosovo, Martin Garrod, hofft, dass in Kosovska Mitrovica schon bald wieder gearbeitet werden kann, und zwar „zum Wohle der Region und auf absolut legaler Basis“.

Doch genau dort fängt das Problem an: Die Eigentumsverhältnisse sind keineswegs geklärt. Offiziell wird die Industrieanlage noch von der Firma Trepca betrieben, die der Belgrader Führung untersteht. Einige meinen sogar, eigentlich gehöre alles der Familie des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Miloševic, der mit den Gewinnen auch einen Gutteil der Kriegskosten gedeckt habe. In jedem Fall, so die Erkenntnis der UN-Experten, wurden die Industrieanlagen in der Region – eine der reichsten des gesamten Balkan – gezielt heruntergewirtschaftet, seit die serbische Führung dem Kosovo 1989 die Autonomie aberkannte.

UN-Verwalter Garrod hat die Zukunft von Trepca zu einer seiner Prioritäten erklärt, denn das Industriegebiet ist nicht nur von immenser politischer und wirtschaftlicher Bedeutung, sondern bietet auch konkrete Perspektiven zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Fast 30.000 Menschen waren einst bei Trepca beschäftigt; nur einen Teil von ihnen wieder in Lohn und Brot zu bringen wäre ein großer Erfolg im Kosovo der Nachkriegszeit. Zum Konzern gehören neben den Blei-, Zink-, Silber- und Goldminen auch chemische Industrie sowie Glas- und Porzellanfabriken im Norden des Kosovo.

Doch ehe auf dem Minenkomplex wieder jemand eingestellt werden kann, muß zunächst die Eigentumsfrage geklärt werden. Und das gestaltet sich schwierig, denn neben den serbischen Managern erheben noch zwei weitere Gruppen Anspruch auf die Minen in Kosovska Mitrovica: die früheren albanischstämmigen Betreiber, die Anfang der neunziger Jahre entlassen wurden, und eine Gruppe privater albanischer Investoren. Formal agiert deshalb zunächst die UN-Administration als Verwalter für die jugoslawischen Besitztümer im Kosovo. Doch neue Manager sollen schon bald ernannt werden, verspricht der oberste UN-Verwalter, Bernard Kouchner: Die erforderlichen Verordnungen sollen in den nächsten Tagen kommen.

An dem verlassen wirkenden Eingangstor in Kosovska Mitrovia geht derweil ein Wachmann auf und ab. Auf neugierige Blicke und Fragen reagiert er barsch: „Direktor Bjelic ist in Belgrad. Hier kann Ihnen niemand etwas sagen. Verschwinden Sie!“ Anne le Coz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen