■ III. Wahl: Stunden später
Was läuft eigentlich in den Dritten Programmen zur Prime-time? Zum Beispiel:
„Mittwochs live“, Mittwoch, 20.15 Uhr, WDR
Ich würde es gern mal erleben, dass ein Fernsehsender an einem Aschermittwoch die Aufzeichnung eines kompletten Rosenmontagszuges zeigt. Der Idee des WDR, ein eineinhalbstündiges Live-Palaver über die Sonnenfinsternis nicht am Dienstag abend ins Programm zu nehmen, sondern erst, als alles schon vorüber war, konnte ich insofern durchaus etwas abgewinnen.
Mit meinem Wohlwollen war es allerdings schnell vorbei, denn als erster kam in der Talkrunde ein Mann zu Wort, der als „Wirtschaftsastrologe“ vorgestellt wurde. Das klang zunächst alles ganz harmlos. Warum sollte es nicht möglich sein, sich ein bisschen Geld zu verdienen, indem man in Gaststätten Horoskope deutet?
Wie sich herausstellte, bietet Uwe M. Kraus allerdings eine ganz andere Dienstleistung an. Er arbeitet als eine Art Unternehmensberater unter astrologischen Gesichtspunkten, schließlich „haben auch Firmen ein Horoskop“. Kraus wusste darüber hinaus von einer negativen „Vorauswirkung“ der Sonnenfinsternis zu berichten, die vor drei Wochen an der Börse zu beobachten gewesen sei. Niemand lachte, und auch der Spitzbube selbst referierte alles mit ernster Miene.
Zwischendurch Schaltungen an einen „magischen Ort des Ruhrgebiets“, wie uns an diesem Abend mehrfach mitgeteilt wird: die 50 Meter hohe Schurenbach-Halde. Hier fand zu Ehren der Finsternis ein Rave-ähnliches Open-Air-Tanzspektakel statt. Als einige nichtweiße Menschen zu Trommelmusik tanzen, will der von einer Abmagerungskur gezeichnete Vor-Ort-Reporter vom Veranstalter wissen: „Kommen die aus Afrika oder aus dem Ruhrgebiet?“
Fast wäre sogar noch über das Ende der Welt geredet worden, aber als Moderator Bernd Müller vom geladenen Theologen aus der Bischofskonferenz etwas darüber wissen wollte, funkte dem die Schlussmusik dazwischen. Gutes Ende, immerhin.
René Martens
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