piwik no script img

Die Schreckens-Kämmerer

Mein Laden & ich – Die Samstagsserie der taz-hamburg. Teil 4: C. Carinis und K. Holthusens House of Horror  ■ Von Peter Ahrens

Christian Carini und Karsten Holthusen sehen nicht gerade zum Fürchten aus. Zwei nette Jungs, könnten Studenten sein. Das, was es bei ihnen zu studieren gibt, ist weniger das, was man als nett bezeichnet: Totenschädel, Skelette, Hirnmasse, tote Ratten, aufgeschlitzte Körper. Wo sind wir denn hier gelandet? Im House of Horror an der Rappstraße in der Nähe der Uni.

Nachdem diese Frage beantwortet ist, gleich die nächste. Wer kauft denn so etwas? Puppen auf dem elektrischen Stuhl, die zucken, wenn man den Stecker in die Dose tut, Voodoo-Puppen, Kerzenhalter aus Schädeln, ein Gehängter als Uhrenpendel, eine lebensgroße Freddy-Krueger-Puppe für fast 5000 Mark – „ganz bunt gemischt, was bei uns in den Laden kommt“, sagt Holthusen. Grufties genauso wie Kinder mit ihren Eltern.

Der Knochenmann im Sarg, der Knochenmann, der aus der Regentonne kommt – das steht tatsächlich bei manchen Leuten im Wohnzimmer herum, die das witzig finden. Und dafür ordentlich Geld ausgeben. Der Freddy Krueger ist schon verkauft. Um fehlende Kunden müssen sich Carini und Holthusen keinen Kopf machen. „Gerade vor Karneval und Halloween ist der Laden rappelvoll.“

Nächste Frage. Was sind das denn für Leute, die so etwas unters Volk bringen? „Die Leidenschaft fürs Abseitige hatten wir schon lange.“ Die beiden haben schon vor Jahren Splatterfilme gedreht. Irgendwann haben sie angefangen, die Accessoires, die sie für ihre Kurzfilme brauchten, zu verkaufen. Das weitete sich immer mehr aus, und plötzlich saßen die beiden auf einem schwunghaften Handel. Der am Anfang von den Anwohnern gar nicht gern gesehen wurde. Holthusen und Carini bekamen Ärger mit der Statt Partei, die so einen Laden nicht in Eimsbüttel sehen wollte. „Inzwischen hat sich alles beruhigt, wir kommen prima klar.“ Die Statt Partei gibt es nicht mehr, das House of Horror ist noch da.

Abgerissene Gliedmaßen, handgefertigte Teddybären mit Reißzähnen – ist das in irgendeiner Weise toll? „Horror bedeutet für mich Kitzel, es gibt mir den besonderen Reiz, sich irgendwelchen Abgründen zu nähern“, sagt Holthusen. „Da muss auch nicht gemetzelt werden.“ Auf dem Boden liegt eine Plastik-Ratte, der das Blut aus dem Bauch quillt.

Das meiste Zeug kommt aus den USA. Fast 90 Prozent der Artikel sind in Übersee produziert. Einmal im Jahr fliegen Holthusen und Carini rüber, knüpfen auf Fachmessen Kontakte, machen Geschäfte klar. Wenn ein neuer Alien-Film, die x-te Folge von Nightmare on Elm Street oder was sonst da in der Branche noch aktuell sein mag, herauskommt, hat das House of Horror es schon kurze Zeit später im Sortiment.

Soll man das ernst nehmen? Nicht wirklich. Politisch korrekt ist das alles überhaupt nicht, geschmackvoll ist das alles ohnehin kaum, ein Gehängter ist auch als Puppe eigentlich wenig komisch. Aber darum geht es Karsten Holthusen und Christian Carini auch überhaupt nicht.Carini spricht vom Spaßfaktor, vom Augenzwinkern, das überall dahinterstecke. Eine Puddingschüssel, die so geformt ist, dass der Inhalt wie Hirnmasse ausschaut – das kann man tatsächlich nicht ernst nehmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen