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Ein Generalzwist wird zur Generaldebatte

Ob ein Bericht stimmt, wonach der Bundeswehr-Generalinspekteur die Truppe im Inland einsetzen will, ist fast egal. Denn mittlerweile streiten Politiker aller Parteien, ob Soldaten der Polizei helfen sollen  ■   Von Georg Löwisch

Berlin (taz) – Die Bild hatte ein kleines Fass aufgemacht. „Deutsche Soldaten als Mafia-Jäger?“, hieß es am Mittwoch. Der Bericht stützte sich immerhin auf einen Vortrag des obersten deutschen Soldaten: Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach habe vor der neuen Wehrstrukturkommission Einsätzen der Bundeswehr im Inland das Wort geredet.

Kirchbach, als „Held von der Oder“ erfahren im Eindämmen von Fluten, dementierte: Um eine Risikoanalyse der Gesamtlage sei es gegangen und um Luftüberwachung im Inland. Als dann Verteidigungsminister Rudolf Scharping versprach, er wolle keine Mafiosi jagen, und gar Grünen-Politiker Winfried Nachtwei das Dementi plausibel nannte, war das Fass halbwegs dicht.

Bis Helmut Wieczorek kam. Der SPD-Politiker und Chef des Verteidigungsausschusses des Bundestags wurde triumphierend von Bild zitiert. Wenn der Generralinspekteur darüber nachdenke, sei das nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht. Den General dürfte das wenig gefreut haben. Zumal Wieczorek im Hessischen Rundfunk nachlegte: Gelegentliche Hilfe bei Polizeieinsätzen widerspräche nicht der Verfassung. Ohnehin sei der entsprechende Teil der Verfassung nicht zeitgemäß. Ganz egal, was der General gesagt hat, das Fass ist geöffnet.

„Offene Debatte!“, verlangt CDU-Politiker Paul Breuer und will über die Bekämpfung internationaler Kriminalität reden, jedoch Soldaten nicht im Inland Verbrecher jagen lassen. „Gespensterdebatte“, schimpft dagegen Jörg van Essen von der FDP, die Bundeswehr habe mit der Umgestaltung für originäre Aufgaben genug zu tun. Gerd Höfer (SPD) will mit der Wieczorek-Forderung nichts zu tun haben, wettet aber, dass das Thema im Verteidigungsausschuss auf die Tagesordnung kommt (siehe Interview).

Gerätselt wurde zudem über drei von Bild gestern veröffentlichte Zitate eines zweiten Amtsträgers, der sich vor der Wehrstrukturkommission äußerte: Innenminster Otto Schily (SPD). Als mögliche Einsatzfelder der Bundeswehr habe Schily Terrorismusbekämpfung und Grenzschutz genannt. Die Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit sei „möglicherweise nicht mehr überall sinnvoll“, habe Schily erklärt. Ein Sprecher des Ministers verweigerte gestern eine Stellungnahme zu den Zitaten. Allerdings gebe es im Innenministerium keinerlei Überlegungen, „die Bundeswehr in irgendeiner Form zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität oder zum Grenzschutz einzusetzen“.

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