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Hagen hatte dienstfrei

■ Der HSV hätte fast in München gewonnen. Präger erfreut den Fernsehsender SAT 1, indem er seine Schuhe küsst

Als Roy Präger nach dem Spiel zum La-Ola-Gedöns in die Fan-Kurve lief, wirkte das Hochreißen der Arme merkwürdig kraftlos. Das mag entschuldbar sein, hatte der milchgesichtige Neuzugang doch aufreibende neunzig Minuten hinter sich. In denen wäre es dem HSV fast gelungen, erstmals seit 17 Jahren alle drei Punkte aus dem Olympiastadion mitzunehmen. Präger fungierte hierbei als Torschütze und – offenbar noch wichtiger – als Torbejubler.

Doch zunächst köpfte Markus Babbel die 1:0-Führung für die Hausherren. Eine himmelschreiende Ungerechtigkeit angesichts einer Hamburger Mannschaft, die die Bajuwaren an Spritzigkeit und Spielwitz bei weitem übertraf. Und auch an Originalität: So war es Nico Kovac vorbehalten, eine Flanke von Mehdi Mahdavikia per Ellenbogen ins Tor zu befördern.

Auch nach Wiederanpfiff war der HSV die bessere Mannschaft, und wäre da nicht die sprichwörtliche weißbierbräsige Münchner Arroganz, der Bayern-Klientel hätte eine Niederlage als reale Option erscheinen müssen. Zumal Präger sieben Minuten vor Schluss zum 1:2 traf, seinen Schuh auszog und ihn küsste – genau wie in der Szene, die SAT 1 eine Woche vorher mit ihm gestellt hatte.

Doch eher scheitert die Bayern-SPD an der Fünfprozenthürde, als dass sich ein rot-blau gewandeter Mensch mit solcherlei Gedanken belastet: Der Bayern-Fan an sich definiert sich über den Siegfried-Nimbus seines Clubs. Im Gegensatz zum germanischen Heros ist der FC. Bayern in der Tat unverwundbar: Im Olympiastadion fließt das Drachenblut in Strömen und Lindenblätter sind dort so unbekannt wie der korrekte Gebrauch des Hochdeutschen. So besorgte Giovane Elber in der 90. Minute den Ausgleich. Hinfällig war die Prägersche Selbst-Inszenierung. Doch selbst, wenn sein Tor den Endstand markiert hätte: Den 63 Kilo schweren Brandenburger als Hagen zu präsentieren, wäre wohl selbst der virtuellen SAT 1-Welt nicht geglückt. Christoph Ruf

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