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Der homosexuelle Mann ... ■ Von Elmar Kraushaar
... ist beliebt. Prominente wie Katja Riemann und Günter Grass, Günter Wallraff und Christoph Schlingensief, Willy Millowitsch und Diether Krebs sind für die Homo-Ehe und fordern den Trauschein für Lesben und Schwule. Das ist nett gemeint, sicher kennt jeder von ihnen einen Homosexuellen in seiner Umgebung. Und der ist auch nett. Davon können wir ausgehen.
Solche Prominenten und andere sah ich jüngst auf einer Sommerparty in Mitte, Berlin-Mitte. Alles war, wie es sich gehört: Frauen in langen Kleidern, Kuba-Mucke live, Salat, grün, vom Büfett und Zigarren, natürlich. In all dem Geplauder sprach ein junger Mann mit mir, auch prominent, ein wichtiger Journalist bei einem ganz wichtigen Blatt: „Ihr Schwulen könnt ja nicht so recht mit Kindern umgehen?“, sagte er, und seine Augen wurden ganz schmal dabei.
Ich dachte, ich stünde am Beginn einer dieser unverbindlichen Homo-Debatten, die vermeintlich aufgeschlossene Heterosexuelle immer dann führen, wenn sie auf vermeintlich freundliche Homosexuelle stoßen, à la „Wo wir gerade mal unter uns sind!“. „Sie täuschen sich“, antwortete ich, „ich mag Kinder, und nicht wenige meiner Freunde wünschen sich Kinder, von ganzem Herzen.“ Der Anzug meines Gegenübers war von einem japanischen Designer. Und die Schuhe? Budapest wahrscheinlich. „Sie mögen Kinder?“, lachte er zurück: „Aber doch sicher nur als Sugar Daddy!“
Auf einer solchen Party tritt niemand einem anderen in die Eier, und keiner haut einem eins in die Fresse. Ich drehte mich um und ging, meine FreundIn Frl. Steffi hinter mir her. Sie war ZeugIn des Dialogs gewesen. „Dieser Wichser“, zischelte sie und hielt mich am Arm fest, „der hält uns alle für Kinderficker!“ Steffi stolperte über ihre eigenen Worte: „Tun wir mal so und nehmen an, diesem Hetero-Pack wäre es ernst mit seinem Gerede von Emanzipation und Gleichstellung. Was meinen diese Heteros dann damit, wenn sie so eine Scheiße in der Birne haben? Wovon reden die überhaupt?“
Der Journalist war sicher anfällig für Geld und das bisschen Ruhm, aber nie boshaft dabei und immer korrekt in der Ausrichtung seiner geschriebenen Wörter. Er erinnerte mich an einen Kollegen, der mich einmal ganz leise und freundlich gebeten hatte, dass ich mich nicht zu ihm an den Tisch setzen möge in der Kantine. Nein! Nicht! Er habe natürlich nichts gegen mich, aber er wolle nicht, dass jemand auf die Idee käme, er habe das gemeinsam mit mir, wovon alle wüssten, dass ich es habe.
Dass sie nicht einmal merken, was sie tun oder sagen, macht die Furcht dieser Männer so nachhaltig spürbar. Der eine unterstellt einem die schlimmste Zumutung, die derzeit zur Verfügung steht, der andere verbannt einen gleich ganz aus seiner Umgebung. Sie haben es sicher nicht so gemeint, würden sie sagen, wenn man sie zur Rede stellt. Frl. Steffi mochte das nicht hören und drehte alles auf den Kopf: „Darling, der Mann hat Recht. Wir sind alle Kinderficker! Natürlich! Lass uns zu ihm gehen und es ihm sagen. Wenn er Angst hat vor uns, wie du behauptest, dann müssen wir ihm beistehen, ihn bestätigen darin, ihn nicht alleine lassen damit.“ Sie lächelte hinterhältig dabei. „Komm, wir werden ihm ein bisschen die Eier kraulen.“
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