: Draagula und ein blauer Pullunder
In seinem ersten Spiel in der ersten Bundesliga schoss der SSV Ulm beim 1:1 gegen den SC Freiburg das erste Eigentor und holte doch sein erstes Remis ■ Aus Ulm Albert Hefele
Der Herr im blauen Pullunder hat Ähnlichkeit mit Uwe Seeler. Und er kennt sich aus: „Des ka de Ons're 's Gnigg bräacha.“ Gemeint ist Uwe Grauers Eigentor nach zwei Minuten im ersten Erstligaspiel des SSV Ulm am vergangenen Sonntag Nachmittag. Das erste Spiel bei den Großen. Und wie alle ersten Male – Führerschein, Rausch, Kuss – entsprechend aufregend. Für die Spieler und Fans in Ulm fand eigentlich alles zum ersten Mal statt. Markus Pleuler tat den ersten Schuss innerhalb der Bundesliga auf des Gegners Tor, Sascha Rösler durfte seine erste Gelbe Bundesliga-Karte entgegennehmen und Uwe Grauer erzielte das erste Bundesliga-Eigentor im Donaustadion.
Er war nicht der Einzige an diesem ersten Spieltag der neuen Saison, der die Kugel ins eigene Netz stolperte. Trotzdem: ein Aufsteiger, der sich im ersten Heimspiel nach zwei Minuten solch ein Ei legt – das ist besonders hart.
Und bedeutet im Normalfall: Das Ding ist gelaufen. So sah es auch Volker Finke in der Pressekonferenz. Der trainierende Oberstudienrat: „Nach dem frühen Tor, müssen wir das Spiel anders gestalten.“ Sehr richtig. Auch wenn die Freiburger nicht zu den ewigen Monolithen der ersten Liga gehören – sie haben gegenüber den Ulmern einen geradezu riesigen Erfahrungsvorsprung, auch und im Besonderen, was den Bereich Ergebnissicherung angeht. Den Ball halten und so. Was sagen die Experten? Richard Golz: „Das können wir eigentlich ganz gut.“ Der Herr im Pullunder: „Das send Leichfiaßlar.“ Was er damit sagen will: Die können mit dem Ball umgehen, sind schnell und behende, die Herren Kobiaschwili, Baya, Zeyer und Ben Slimane.
Bis zur Halbzeit hatten die Freiburger mit ihren Mitteln auch alles im Griff. Trotz einer ganz hübschen Verletztenliste und einer Anfangsformation mit sechs Spielern zwischen 19 und 21 Jahren. Es hatte nicht den Anschein, als ob die Ulmer Erstligaanfänger entscheidend Unruhe in die Szene bringen könnten. Obwohl Pleuler über rechts und Rösler über links ackerten und der erstligaerfahrene Janusz Gora (92 Partien in Polen) ohne falsche Bescheidenheit das Spiel an sich riss („Ich bin bereit für die erste Liga“). Der Herr im blauen Pullunder brachte die Vorteile des SC Freiburg auf den Punkt: „Alle a Schriddle schnell'r“ Er hatte natürlich recht – zumindest bis kurz vor der Halbzeit. Dann drehte sich aus rätselhaften Gründen der Wind zugunsten des Aufsteigers. War es der Rösler-Freistoss, der knapp am Dreieck vorbeistrich, war es das Pleuler-Solo, das Golz per Fußabwehr so grade noch entschärfen konnte? Jedenfalls: die Ulmer waren plötzlich da.
Das blieb auch in der zweiten Hälfte so. Es wurde eigentlich immer besser. In den zwanzig Minuten nach dem Wechsel hätten die Schwarzweißen das Spiel gewinnen können. Erstens weil der für die Freiburger eminent wichtige Konterstürmer Ben Slimane sich ein dämliches Handspiel nicht verkneifen konnte und wenig später indirekt deswegen vom Platz flog. Zweitens weil die Freiburger wieder mal einen Elfmeter nicht nutzen konnten. Drittens aber und vor allem, weil die Ulmer zeigten, was sie können, wenn man sie lässt.
Eine stabile Abwehr, die mit dem Durchschnitt der Stürmer in der ersten Liga fertig werden dürfte. Ein fleißiges Mittelfeld und Dragan Trkulja (der Herr im Pullunder: „Los jetzt Draagula!“), der die Abwehr der Freiburger deutlich nervös machte. Und: weil Sascha Rösler (21) seine beste Zeit hatte. Ein beachtlicher junger Mann übrigens. Mit vollem Terminkalender: Grundausbildung bei der Bundeswehr, Lehrgänge der U21-Nationalmannschaft und nun auch noch erste Liga. Er hat gut zu tun, und das scheint ihm zu behagen. Einer, der mit Druck umgehen kann.
Gar nicht schlecht, wie er den Elfmeter, der den Ausgleich bedeutete, in der 47. Minute einfädelte. Nicht etwa eine Schwalbe – er ließ dem einzigen „Stareinkauf der Freiburger, Oumar Kondé von den Blackburn Rovers, nur gar keine andere Möglichkeit, als ihn umzurempeln. Sascha Rösler kann mit dem Ball umgehen und – was viel wichtiger ist – er erkennt sofort, wo er hin muss. Außerdem zeigte er mit einem Flugkopfball, dass er auch im Strafraum sehr gut zu gebrauchen ist. Wenn nicht alles täuscht, haben die Ulmer Spatzen da eine Aktie im Depot, deren Wert sich demnächst zügig nach oben entwickeln wird.
Und die vermutlich schon allerlei begehrliche Blicke auf sich zieht. Um im Vogel-Bild zu bleiben: Auf Jungvögel lauern allerlei Gefahren – im konkreten Ulmer Fall dürfte die meiste von einer roten Bayern-Katze mit dem Namen Uli Hoeneß ausgehen.
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