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Ein Jude schändet Bubis' Grab

Meir Mendelssohn will angeblich gegen das Geschäftsgebaren des verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland protestieren  ■   Aus Tel Aviv Susanne Knaul

Paradoxer hätte es nicht kommen können: Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, wählte seine letzte Ruhestätte in Israel, um vor Grabschändern sicher zu sein. Dann lag der kalte Körper noch kaum in seiner letzten Ruhestätte, als er schon mit schwarzer Farbe übergossen wurde. „Einen halben Liter Ölfarbe habe ich auf die weißen Leichentücher gekippt“, erklärte gestern der Schänder Meir Mendelssohn. Dabei stand die Trauergemeinde direkt neben ihm. Die Präsidenten Johannes Rau und Eser Weizmann, die Familie von Bubis und die vielen Journalisten. Gesehen hat es anscheinend keiner von ihnen. Jedenfalls hat niemand etwas gesagt. „Ich habe es ganz elegant gemacht“, erklärte Mendelssohn, „einen Schritt vor, Farbe rein und wieder zurück“. Man habe wohl gedacht, es sei ein Teil der üblichen Prozedur.

52 Jahre alt ist Meir Mendelssohn, der „entfernt“ mit dem Komponisten verwandt sein will. In fließendem Deutsch berichtet er bereitwillig über die Hintergründe seiner Tat, um die es ihm „keineswegs leid tut“. Mendelssohn, gebürtiger Israeli, lebte selbst jahrzehntelang in Deutschland und lernte die dortige jüdische Gemeinde aus der Nähe kennen. „Ich habe schlimme Dinge gesehen“, sagt er, wobei er seine Anschuldigungen zum Großteil auf die Aussagen nichtgenannter „Augenzeugen“ stützt. Ignatz Bubis sei demnach bis 1953 Chef der Tauschzentrale gewesen, wo er „Brot gegen Gold wechselte“. Mit dem so erworbenen Vermögen habe Bubis Bordelle gekauft und fortan in Frankfurt „weiter Geld gescheffelt“. Mendelssohn berichtet von der gezielten Vernachlässigung von Gründerzeithäusern und Konflikten mit Hausbesetzern. Auf die Frage, wie dann auch Otto Schily, der den damaligen Aktivisten nahestand, auf die Beerdigung von Bubis kommen konnte, antwortet Mendelssohn: „Genau das ist es, was mich zu meiner Tat antrieb. Alle tun so, als wäre alles in Ordnung.“ Man würde so vorsichtig mit den Juden umgehen, dass ein „Deutscher allein das Wort Jude nur hinter vorgehaltener Hand auszusprechen wagt“. Wie mächtig Bubis war, beweise die Tatsache, dass das Theaterstück „Der Müll, die Stadt und der Tod“, dessen Protagonist Bubis darstelle, nicht zur Aufführung kam.

Seit vier Jahren lebt Meir Mendelssohn wieder in Tel Aviv, versucht sich als Künstler und Kunsthändler. Im vergangenen Herbst war er mit einer eigenen Liste zu den Kommunalwahlen angetreten. „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“, so der Name seiner Liste, die mit 2.500 Stimmen nur die Hälfte der für den Einzug ins Ratshaus notwendigen Voten erhielt. Kernziel der Partei war erklärtermaßen der Kampf gegen die Einsamkeit. „Wer allein ist, kann nicht glücklich sein“, erklärt Mendelssohn. Inzwischen ist der Grabschänder abgetaucht. Er will Israel „bei erster Gelegenheit“ wieder verlassen. Möglicherweise geht er zurück nach Deutschland, wo seine beiden Töchter leben.

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