: Gejammer und leere Versprechungen
■ Deutsche Fußballkultur nach zehn Jahren Wiedervereinigung
Was sich der Westen mit den Zonis eingefangen hat, wurde vor allem im Fußball deutlich, dort also, wo die BRD immer führend war. Die Erfolgsgeschichte ist lang und wurde von drei Weltmeistertiteln gekrönt, aber seitdem die Zonis mitmachen dürfen, ist aus der Fußballmacht Deutschland ein Fußballzwerg geworden.
Nach dem Gewinn der für lange Zeit wohl letzten Weltmeisterschaft 1990 in Italien blökte Beckenbauer euphorisiert und wie immer völlig ahnungslos, dass zusammen mit denen da drüben nunmehr Deutschland über Jahrzehnte hinaus nicht mehr zu schlagen sei.
Diese Illusion hatte man sich schon nach dem Anschluss Österreichs gemacht, als es noch einen Matthias Sindelar gab und ein österreichisches „Wunderteam“, das die Deutschen mit 6:0 und 5:0 abfertigte. Hitler wollte streng paritätisch mit einer 50:50-Beteiligung (und das bei 11 Spielern!) 1938 den Weltmeistertitel einsacken, um die Überlegenheit der deutschen Rasse zu beweisen. Aber man flog bereits in der ersten Runde gegen die mickrige Schweiz raus, obwohl der Völkische Beobachter den Erfolg mit Kraft durch Propaganda herbeibrüllen wollte. „60 Millionen Deutsche spielen in Paris“ titelte der von Fußballregeln weitgehend unbedarfte Völkische Beobachter, den Schweizern hingegen genügten elf Spieler.
Heute weiß man, welche Folgen diese Blamage hatte. Und weil sich laut Marx die Tragödien der Geschichte als Farce wiederholen, geht es auch seit dem Einzug der Zonis im deutschen Fußball bergab. Die Fußballtheorie, derzufolge 22 Mann auf dem Platz stehen und am Ende die Deutschen gewinnen, gilt nicht mehr. Dafür haben die Zonis gesorgt, und auch an der Untergrabung der antifaschistischen Fußballregel sind sie beteiligt, die da heißt, auf deutschem Boden darf nie wieder einem Ball die Luft ausgehen. Der Premiere-Mann Michael Pfad musste erst in der letzten Saison feststellen: „Dem Ball ist die Luft ausgegangen. Verständlich bei diesem Spiel“, bei dem mindestens drei Zonis dafür sorgten, dass es grausam anzusehen war.
Bis zu zweimal am Tag und 25 Stunden in der Woche wurden die DDR-Spieler getrimmt. Auf diese Art von Züchtigung ist man in der Zone spezialisiert, vor allem der letzte Nationaltrainer der DDR, Eduard Geyer, der jetzt in Cottbus die Spieler quält, sodass selbst Westvereine, die in dieser Hinsicht nicht zimperlich sind – wie man z.B. an Lorant und Magath sehen kann –, ihn auch in der größten Abstiegsnot nicht verpflichten werden. Genutzt hat die Trainingsmethode à la Geyer nichts, außer dass die Zonenspieler recht schnell verschlissen werden. Matthias Sammer, Thomas Doll und René Schneider sind nur drei der prominenten Invaliden, die sich mehr in der Reha-Klinik aufhalten als auf dem Platz.
Beliebt sind die Zonis in keinem Westverein. Sie gelten als großmäulige Aufschneider, die nur Unruhe in eine Mannschaft bringen (Matthias Sammer), als Abgreifer (René Schneider), als ewige Talente, die den Nachweis ihres Könnens schuldig bleiben (Alexander Zickler), oder sie fallen durch Mobbing auf (Steffen Freund). Von ihnen war vor allem Borussia Dortmund betroffen, und obwohl sich der Verein diese Probleme endlich vom Hals geschafft hat, leidet er noch heute an den Folgen. Olaf Marschall und Jens Jeremies nuscheln mit verwachsener Kinnlade, und Ulf Kirstens Kommentare erschöpfen sich in der leeren Versprechung, „vorne draufzugehen“.
Selbst als Werbeträger sind sie nicht besonders begehrt, und nur, wer sich nichts anderes leisten kann, nimmt Ossis, um irgendwelchen abseitigen Produkte zu einem recht zweifelhaften Ruhm zu verhelfen, wie z.B. der Rasierapparat, der sich vergeblich an dem Ganzkörperstoppelmenschen Kirsten abarbeitet.
Am übelsten jedoch sind die Zonen-Fans dieser Vereine, und wenn Rostocker in eine westdeutsche Stadt einfallen, dann wird es in der Regel sehr unappetitlich. Ins Ostseestadion zu gehen grenzt an Masochismus und lässt sich nur mit dem distanzierten Blick und dem wissenschaftlichen Interesse eines Ethnologen legitimieren, um rassistisches, soziales, Paarungs- und Sexualverhalten dieser Spezies zu erforschen. Einer der größten Schlägervereine, Dynamo Berlin, Mielkes Lieblingsverein, nach der Wende in FC Berlin umbenannt, kehrt jetzt wieder zu seinem alten Namen zurück, und schon liegen dem in die Bedeutungslosigkeit abgerutschten Verein 150 Mitgliedsanträge vor.
Was lehrt uns das? Man sollte dem Wunsch der Zonis nachgeben und wieder die alte DDR-Oberliga einführen. Dort können dann die Zonen-Vereine unter sich irgendwelche wertlosen Meisterschaften ausspielen. Eine Teilnahmeberechtigung an internationalen Wettbewerben wäre damit nicht verbunden, auch nicht am Fuji-Cup. Dafür könnten sie unter sich bleiben und dürften auch ihre Spieler behalten, damit man sich nicht mehr das Gejammere anhören muss, die guten Fußballer würden alle von den reichen Westvereinen aufgekauft.
Es gäbe keine unnötigen Verdächtigungen mehr: Würde ein Bundesligaverein absteigen, dann wüsste man endlich wieder zweifelsfrei, dass es nicht am Zoni lag, und das läge doch auch in seinem Interesse. Klaus Bittermann
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