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Nur noch an der Bahnhofstür

■  Die „Strassenzeitung“ einigt sich mit der BVG und der Deutschen Bahn über den Verkauf ihres Blattes. Die Obdachlosenzeitung „Motz“ ist „entsetzt“ über die Vereinbarung

Der Verkauf von Obdachlosenzeitungen auf den hiesigen Bahnhöfen wird jetzt erstmals vertraglich geregelt. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die Deutsche Bahn und die S-Bahn haben sich mit der Strassenzeitung darauf geinigt, dass künftig je zwei VerkäuferInnen an bestimmten Eingängen von insgesamt 65 U-, S- und Fernbahnhöfen die Strassenzeitung verkaufen dürfen. Das bestätigte gestern BVG-Sprecherin Barbara Mansfield auf Anfrage der taz.

Im Klartext heißt das: Der Verkauf auf Bahnsteigen, Treppen und in den Zügen ist verboten. Gleichzeitig kündigte Mansfield an, dass dieses Verbot „künftig verstärkt durchgesetzt wird“.

„Mehr war nicht rauszuholen“, begründete Stefan Schneider die Zustimmung des Trägervereins der Strassenzeitung, dessen Vorsitzender er ist. Der Verkauf in den Zügen und Bahnhöfen sei auch bislang nicht erlaubt gewesen, lange aber geduldet worden. In der letzten Zeit aber, so Schneider weiter, sei „das Katz-und-Maus-Spiel“ zwischen den ZeitungsverkäuferInnen und dem Aufsichtspersonal eskaliert.

Ein Verkäufer der Strassenzeitung stand bereits wegen 49-fachen Hausfriedensbruchs am Bahnhof Zoo vor Gericht, bis es sich die deutsche Bahn anders überlegte und die Anzeige zurückzog. „So konnte es nicht weiter gehen“, sagte Schneider. Um den VerkäuferInnen, die langfristig mit der Strassenzeitung Geld verdienen wollen, Rechtssicherheit zu geben, habe sich der Verein für den Vertrag entschieden.

„Entsetzt“ über die Vereinbarung zeigte sich gestern Helmut Gispert von der zweiten Berliner Obdachlosenzeitung Motz, die bislang an den Verhandlungen nicht beteiligt ist. „Diese Vereinbarung wird die Situation für Menschen verschärfen, die solche Regeln nicht einhalten können oder wollen“, so Gispert. Für genau diese aber sei die Motz gedacht, die als niedrigschwelliges Angebot auch für Suchtkranke angelegt sei. Bei einer solchen Arbeit aber müsse die Kontrolle so gering wie möglich gehalten werden. Ohne Kontrolle aber sei die Vereinbarung nicht durchsetzbar.

„Es gibt also zwei Möglichkeiten“, so Gispert weiter. „Entweder die Strassenzeitung kontrolliert und schließt Verkäufer aus, die sich nicht an die Vorschriften halten, oder an der jetzigen Situation ändert sich nichts.“ An einem solchen Vorgehen will sich die Motz nicht beteiligen. „Wir werden uns nicht zum Büttel der BVG machen“, sagte Gispert.

Die beiden Obdachlosenzeitungen erscheinen mit je einer Auflage zwischen 22.000 und 25.000. Mehrere hundert Obdachlose verdienen sich mit dem Verkauf der Blätter ihren Lebensunterhalt. Sabine am Orde

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